Wilhelm Reich gegen USA
Die USA gegen Wilhelm Reich
Ein Interview mit Jerome Greenfield
Mit einem Vorwort von Joachim Trettin
Aufzeichnung von Beate Freihold
Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Klein
Das Vorwort
Der hier publizierte Text ist das Transkript des Interviews, daß das “ Orgonomische Videoarchivs “ im Sommer 1989 mit
Jerome Greenfield in dessen Haus an der Ostküste führte. Greenfield ist der Autor des Buches „USA gegen Wilhelm Reich,
indem er die Kampagne, Prozess und Verurteilung Wilhelm Reichs dokumentierte und für die Öffentlichkeit transparent machte.
Das Buch ist bei 2001 erschienen. Greenfield, der Reich nur während des Prozesses kurz sprach, entstammte nicht dem inneren
Kreis der Orgonomie, obwohl er zu vielen Personen der Orgonomie in Kontakt stand. Mit Sicherheit ist durch diesen Abstand
Greenfields Beurteilung der Sachlage mitzuverstehen. Es ist anzunehmen, daß dieser Text kontroverse Haltungen hervorrufen
wird und hat es bereits auch schon getan. Deshalb möchten wir hier unsere Position durch einen Kommentar klarlegen. Der
entscheidene Punkt in Greenfields Interview ist, daß er zu der Überzeugung gelangte, Reich hätte nicht eine Gefängnisstrafe
antreten müssen, wenn er bei der ersten Verhandlung, so wie es gefordert war, erschienen wäre und anstatt der ideellen, sich
mit der juristischen Sachfrage auseinandergesetzt hätte.
Natürlich ist die Sachlage im Nachhinein nicht mehr eindeutig zu beantworten, aber die aufgezählten Fakten Greenfields legen
zumindest diese Möglichkeit nahe. Wir erkennen in dieser Haltung den Realisten und Pragmatiker Greenfield, der sich
juristischen Fakten aus ihrem eigenen Zentrum, der juristischen Rechtsprechung nähert, in der Wahrheit oder Lüge zunächst
einmal irrelevant sind. Letztendlich war der Prozess, der geführt wurde juristischer Natur. Jedoch hier könnte man Zweifel
hegen. Greenfield tut das nicht. Hätte Reich sich also durch juristisch sachgerechtes Handeln von der Justiz befreien können,
hätte er weiter in Freiheit leben und forschen können. Genau hierin liegt die zentral Aussage Greenfields. Greenfield bemängelt
Reichs unrealistische Haltung dem Prozess gegenüber und dokumentiert viele Fakten diesbetreffend ausführlich in seinem Buch.
Die Reichgemeinschaft, d.h. die Personen die Reichs Haltungen bekräftigten, verweisen auf die Grundsatzfragen, die Reich
aufwarf, nämlich daß kein Gericht das Recht hat, über Naturwissenschaft zu richten. Reich kämpfte also für eine neue
Rechtsprechung für die naturwissenschaftliche freie Forschung. Das die Chancen von einer bürgerlichen Rechtssprechung in
einer revolutionären Gesellschaftsfrage Recht zu bekommen bestimmt aus einiger Entfernung wie Greenfield sie hatte besser
beurteilt werden könnte, als aus der Sicht wie Reich sie hatte, ist naheliegend. Trotzdem muß hier besonders hervorgehoben
werden, daß Reichs größter Schutz seine allgemeine Unbekanntheit war. Angegriffen wurde er von Institutionen, die ihn
identifizieren konnten, wie konventionelle Medizinerverbände, pychoanalytische Verbände, Politikverbände und einzelne
Naturwissenschaftler, besonders aus dem Bereich der Biologie und Bakteriologie.
Reich schrieb einmal, daß der Christusmord so grundsätzlich wäre, daß es überhaupt keine Rolle spielen würde, ob die historische Person Christus überhaupt gelebt hätte oder nicht. Bei Greenfield könnte hier der Eindruck entstehen, als würded dieses massenpsychologische Element übersehen und durch reine Pragmatik ersetzt werden können, in deren Mittelpunkt Reich auch noch als der Schuldige erscheint. Doch dieser Frage stellt sich Greenfield überhaupt nicht. Für ihn zählen nur die rein juristischen Fakten und ihre bürokratische Begrenztheit. Durch die Verwicklung in ein bürgerliches Rechtsverfahren war Reich auf Zuspruch angewiesen, der nicht nur auf Bewußtseinsprozesse basierte. An diesem Punkt setzt Greenfields Kritik an Reichs
unrealistischer Beurteilung an. Im Grunde haben wir es hier mit zwei entgegenlaufenden Prozessen zu tun. – Auf der einen Seite ist da Reich, der sich wissenschaftlich wie soziologisch abmüht. Rein wissenschaftlich genial – aber mit vielen Neidern. Auf der Gesellschaftsebene jedoch völlig erfolglos. Ein wunderschönes Dokument über Reichs Bemühen, sich im Bereich der anderen verständlich zu machen ist die Schrift „Menschen im Staat“. Es ist ein Dokument voller Bemühungen um Verständigung und Kooperation mit anderen. Nach vielen Enttäuschungen ändert Reich seine Haltung. Die Verfolgung von Fachkollegen aus der Psychotherapie und Politik zeigen ihm, daß er nur Feindschaften hervorbeschwört. Hier macht Reich die klare Erfahrung einer
ersten gesellschaftlichen Verschwörung gegen fundamentale wissenschaftliche Wahrheit. Es ist gerade die Sexualökonomie die diese Tatsache wissenschaftlich objektivieren kann. Die Sache ist also kein Zufall, sondern hat System. Diese Art der Verschwörung funktioniert nicht so, wie man sich das im allgemeinen vorstellt, nämlich, daß A. sich mit B. organisiert und dann versucht mit C. eine Strategie im Bündnis auszuknobeln. Die allgemeine Verschwörung, die bereits seit Beginn des Patriachats ihren Lauf nimmt, arbeitet im geheimen, reagiert nun gegen den Entdecker der Lebensfunktion, der sie zum wissenschaftlichen Gegenstand erhebt und somit ihre Existenz bedroht. Später wird Reich diese Funktion als „emotionelle Pest „bezeichnen, eine
durch Genitalfrustration entstandene unerkannte Krankheit, deren bester Schutz ihr organisiertes Versteckspiel ist. Der realistische Pragmatiker kann in solchen Vorgängen keine Verschwörung entdecken, jedenfalls solange nicht, wie sie nicht an die Öffentlichkeit tritt und klare Organisationsstrukturen zu erkennen gibt. Deshalb bezeichnet man Ideen über solche Verschwörungen gerne als paranoid und möchte denjenigen, der darauf aufmerksam macht, als psychotisch abstempeln.
Aus Greenfields Text geht ganz klar hervor, daß der Autor nicht diese Haltung einnimmt. Er hält Reich für wissenschaftlich gesund und sieht eher Defizite in dessen Gesellschaftsbezügen. Wir als Außenstehende können nicht Reichs Situation in den 50er Jahren beurteilen, glauben aber, daß Greenfield hier wieder eine rein pragmatische Haltung einnimmt, und den psychologischen Prozessen Reichs wenig gerecht wird. Aus dem Genossen Willi Reich, der nur mit knapper Not der europäischen Verschwörung gegen die Sexualökonomie und Bionentheorie in Deutschland entkam, wurde in Amerika Dr. Reich, eine Autorität die Abstand hält. Reich war sich nun der Gefahr bewußt und wußte, daß er kaum auf Freunde hoffen konnte. Er setzt von nun an auf seine eigene Autorität einerseits, und die Anständigkeit im Menschen andererseits, die er vor allem in Amerika in der Person General Eisenhauers verkörpert sah. Gleichzeitig wurde aus dem Freund Reich der Erzieher Reich. Möglicherweise befand sich Reich zu dieser Zeit in einem unlösbaren Dilemma. Einerseits machte seine Forschung gigantische Fortschritte, andererseits blieb das Feedback der Gesellschaft immer mehr aus. Interessanter Weise geht aus Greenfields Aussagen hervor, daß Reich sich in dieser Situation entschloß Menschenfreund zu werden. Er fing an, das Gute in den Menschen stärker als zuvor zu sehen, anstatt sich auf ihre Realität zu besinnen, in der sie durch ihre Neurose wie Füchse in der Falle saßen. Dies mag vielleicht nicht objektiv eine realistische Haltung sein, zeigt aber vor allem Reichs gutmütigen Charakter und ist auch vielleicht unausweichlich, wenn man zu begreifen beginnt, daß die Schlacht die man gerade schlagen will, bereits verloren ist. Vielleicht ist daß das große Geheimnis, daß die Menschen immer dazu führt fortzuschauen, den Dingen nicht
ins Auge zusehen. Insofern würde dieser Anschauung ein sehr tiefer Realismus zu Grunde liegen. All das kommt in Greenfields Ausführungen nicht zum Tragen und kann aus seiner Position auch nicht sein Inhalt sein. Reichs Haltungen führten immer wieder während seiner Lebenszeit dazu, ihn in die Reihe mit Paranoikern zu setzten, dabei sollte eigentlich klar sein, daß Reich selbst ein großer Psychiater und Theoretiker des Themas der Psychosen war !
Die psychiatrische Orgontherapie die er selbst bei Psychosen anwandte, konnte dort helfen wo die gängige Psychatrie völlig hilflos war. Reich verstand im Gegensatz zu „normalen“ Psychiatern die Psychose sehr gut und nahm Psychotiker äußerst ernst. So stellte er fest, daß die Inhalte, die sich beim Psychotiker als falsche Wahrnehmung darstellen, nicht nur auf den Pychotiker begrenzt sind. Beim Neurotiker sind diese nur nicht affektbesetzt und durch Panzerung abgesperrt. Aus diesem Grunde ist der Neurotiker geneigt normale Lebensprozesse als „verrückt“ zu bezeichnen, wenn er mit ihnen in Kontakt kommt. Es verwundert
hier kaum noch, daß Reich selber immer wieder aus dem bürgerlichen Lager als paranoid oder schizophren bezeichnet wurde. Der historische Ursprung dieses Gerüchtes lag in den 30er Jahren und stammte von dem Psychoanalytiker Otto Fenichel. Fenichel gehörte mit Reich zur Gruppe der marxistischen Psychoanalytiker. Als diese Gruppe zusammenbrach, Reich von Freud und Marxisten verfolgt wurde und Fenichel wohl klar erkannte, daß die Sache keine Chance hatte, erlitt er einen Nervenzusammenbruch und verbrachte einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik. Anschließend verbreitete er das Gerücht, Reich sei verrückt und wäre in einer psychiatrischen Klinik gewesen. Reich war nie in einer psychiatrischen Klinik, jedenfalls nicht als Patient. Dieses Gerücht wurde bereitwillig aufgenommen und erreichte Amerika vor Reichs Ankunft dort. Es wurde
dort zum Allgemeinwissen über die Person Reichs hochstilisiert. Jedermann, der Reich nicht kannte, wußte, daß er verrückt war,- jeder der ihn kennenlernte war beeindruckt von seiner Brillianz und Klarheit. Das einzige Indiz, daß gegen Reich immer wieder ins Feld geführt wird ist sein Glaube, daß Eisenhauer hinter ihn gestanden hätte. Tatsächlich spricht Greenfield von der Beobachtung eines Treffens zwischen Reich und Eisenhauer. Aber die Nachforschungen Greenfields konnten daß nicht bestätigen. Diese Aussage, die möglicherweise von einer Regierungsperson kam, könnte doch letztlich ein Indiz für so ein Treffen gewesen sein. Vielleicht unterlag es der Geheimhaltung. Vielleicht hatte Eisenhower Reich gebeten unter allen Umständen Stillschweigen darüber zu bewahren. Vielleicht machte er ihm sogar Hoffnung auf Hilfe. Aber selbst wenn es keine
realistische Grundlage dafür gäbe, wenn nichts an dem wahr wäre, wäre das noch lange kein Indiz für Reichs Verrücktheit. Wie bereits erwähnt fühlte sich Reich wie ein Feldherr in einer Schlacht, der in einen Kessel geraten war und flehentlich Hilfe von außen erwartete. Früher oder später müßten doch die Bündnispartner, die sich auf Ehrlichkeit und Wahrheit gründeten, von außen durchdringen und den Kessel auflösen. Das ist eine Wahrheit im Bereich des Rationalen.
Wie oberflächlich hier mit psychiatrischen Begriffen umgegangen wird, wird auch aus Greenfields Protokoll ersichtlich. Angeblich ist es ein gutgemeinter Richter der Ilse Ollendorf anrät, Reich psychiatrisch untersuchen zu lassen um auf unzurechnungsfähig zu plädieren. Eine Maßnahme, die Reich helfen sollte. Doch die Untersuchung wird auch bei Silvert durchgeführt. Obwohl jeder weiß, daß Silvert ein eigenartiger Typ ist, wird er als gesund diagnostiziert, Reich aber in gewissen Anteilen als paranoid. Der untersuchende Psychiater, der sich mit Reich unterhält ist anfangs von Reichs Gesundheit überzeugt. Er glaubt, Reich soll den Verrückten spielen, damit er für unzurechnungsfähig erklärt wird. Auch als Reich über Eisenhauer
erzählt, findet der Psychiater nichts Verrücktes an ihm. Erst als er merkt, daß Reich das auch ehrlich meint, kommen ihm
Zweifel. Auch hier ist die Eisenhowergeschichte das einzige Indiz. Die abschließende Diagnose des Psychiaters Hubbard lautet:
„Paranoia, die sich manifestiert in Größenwahn. Der Patient ist überzeugt herausragende Entdeckungen gemacht zu haben“. Das
sagte ein Psychiater, der Reichs Charakteranalyse gelesen hatte, die bereits in den 3oer Jahren eine einzigartige Entdeckung in
der psychoanalytischen Fachwelt darstellte. Hier muß man sich wirklich fragen, wer hier eigentlich der Verrückte ist. Reich wird
dann in einem anderen Gefängnis, diesmal von 2 Psychiatern nochmals untersucht und diesmal lautet die Diagnose „völlig
gesund“. Der Leiter des psychiatrischen Dienstes Dominick J. Lacovara schreibt über die Untersuchung: Die emotionellen
Reaktionen Reichs und sein allgemeines Verhalten während des Gesprächs standen im Einklang mit den zum Ausdruck
gebrachten Vorstellungen“. Im Nachhinein wird aber dann behauptet, diese Diagnose wäre von höchster Stelle befohlen
worden, wobei man fragen muß, was dann von so einer korrupten Psychiatrie zu halten ist, die lediglich als Befehlsempfänger
agiert.
Denselben Tatbestand findet man bei Peter Mills, Reichs früherem Rechtsanwalt und jetzigen Ankläger. Zuerst ist er von Reich
beeindruckt, dann hält er ihn für verrückt und dann möchte er wieder das Reich nicht verrückt ist, damit man ihn verurteilen
kann. An diesen Tatbeständen zeigt sich, daß wir es hier nicht mit psychiatrischen sondern politischen Kriterien zu tun haben.
Auch redet man im allgemeinen Sprachgebrauch schnell von Paranoidität, was aber in Verbindung mit Reich immer „krank“
bedeuten würde. Diesen Fehler machte auch die linke Bewegung 1968, die Reich ohne genaueres Wissen einer „progressiven
Schizophrenie “ bezichtigte, nur weil Reich inzwischen die Orgonenergie entdeckt hatte und dadurch zu einer anderen
soziologischen Auffassung von Gesellschaftsprozessen kam. Auch sie übernahm leichtfertig das alte Gerücht. Diese Art von
Schizophrenien können nichts anderes als Projektionen des Fühlens ihrer Propagandisten gewertet werden. Der Leser des
Interviews muß hier eindringlich darauf aufmerksam gemacht werden, weil die schizophrene Neigung der Bevölkerung , die man
Reich anlasten will, sehr stark ist. Sie fand auch in unseren Tagen wiederum Eingang in die Biographie von David Boadella, der
auch Mutmaßungen anstellt, wie man sie ebenfalls bei vielen findet, die ein Interesse haben, den Orgonomischen Reich vom
Bioenergetischen Reich zu trennen. Greenfield selbst weist darauf hin, daß gängige Begriffe über Paranoidität eh auf Reich nicht
anzuwenden wären.
Ich möchte aber noch einen weiteren Aspekt anfügen. Wie uns während unserer Amerikareise bekannt wurde, gab Reich seine
Erkenntnisse über Ufosichtungen, sowie seine Theorien über eine mögliche Invasion und die Gefährlichkeit des vermuteten
Dor-Ausstoßes der Ufos an Regierungstellen weiter. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, wo über den USA bereits vermutlich
mehrere Ufos niedergangen waren. Nach Jahren berichten Militärangestellte und Beobachter darüber. Zum damaligen
Zeitpunkt war das aber Top Secret. Unterlagen wurden gefälscht, falsches Beweismaterial präsentiert und Beobachter von
Seitens des Militärabschirmdienstes und des Geheimdienstes mit dem Tod bedroht, falls sie ihr Schweigen brechen würden.
Inzwischen gibt es Dokumentarfilme darüber, die selbst im Fernsehen laufen. Niemand weiß heute genau, was sich damals
abgespielt hat und inwieweit das Militär begann, die Informationen, vielleicht sogar Kontakte der Außerirdischen zu nutzen.
Auch hier paßte ein Wilhelm Reich, der Öffentlichkeit wollte, nicht in eine solche Situation. Vielleicht waren die Untersuchungen
der FDA ein erster Auftakt um zu sehen, wie weit man Reich mit legalen Mitteln isolieren konnte. Da das vorzüglich klappte,
brauchte man dann erst gar nicht weiter zu gehen. Wer weiß das heute schon, wie das damals wirklich war. In solchen
Operationen sind weder staatliche Behörden noch die Justiz eingeweiht, wahrscheinlich noch nicht einmal der Präsident. Im
Berufungsverfahren reichte Reich eine Eingabe mit dem Titel „Appell an die Vernunft“ ein. In der heißt es u.a. „Die
US-Luftwaffe hat Kenntnis vom Auftauchen von Ufos im Umkreis der Erde, wie auch von Reichs Entdeckung, daß
Orgonenergie sich in Antriebskraft umsetzen läßt. Ohne diese neue Kraft schien keine Hoffnung zu bestehen den Invasoren mit
technischen gleichwertigen Mitteln entgegentreten zu können…“ Sollte die letztlich angefügte Spekulation zutreffen, wäre Reichs
Urteil bereits längst gefällt gewesen.
Wie dem auch sei, Reich kämpfte vor Gericht für die Freiheit der Wissenschaft, die heute juristisch nicht geschützt ist. Auch
wenn es hier wohl kaum Chancen auf einen Erfolg geben konnte, so setzte Reich doch damit ein Zeichen für die Zukunft in der
es ein solches Gesetzt unbedingt geben müßte. Ebenso wäre ein Gesetzt für eine sexualökonomische Freiheit der Kinder, Pflege
und deren Schutz notwendig. Daß Reich sich trotzdem freiwillig der Justiz unterwarf und sich inhaftieren ließ finden wir
bedauerlich und unverständlich. Wir wünschten, er hätte das nicht getan. Daß er das tat, wie Greenfield vermutet, weil er den
Tod suchte, halten wir für völlig ausgeschlossen. Wie aus dem Interview hervor geht, verlor Michael Silvert, der mit Reich
inhaftiert wurde seine Aprobation und mußte als Kellner arbeiten. Kurze Zeit später nahm er sich das Leben. Selbst im
Gefängnis kämpfte er noch gegen die sexualökonomisch gesehen schädlichen Haftbedingungen wodurch er die volle Strafe
absitzen mußte. Wir möchten an dieser Stelle hier auch ausdrücklich Michael Silvert gedenken. Wir danken ebenfalls Jerome
Greenfield, der uns schriftlich die Rechte an diesem Interview übertrug, sowie für das Interview selbst. Das Interview wurde nur
unwesentlich gekürzt. Ein Reisebericht durch die USA nach Spuren von Wilhelm Reich ist unter : Eine Beschreibung der
interviewten Personen zu finden.
Joachim Trettin, Nümbrecht 18.7.1997
Das Buch
Wilhelm Reich hatte sich 1939 nach Amerika gerettet. In den USA erhoffte er sich ein liberaleres Klima als in Europa. Er
wurde bitter enttäuscht. Reich wurde Opfer des beispiellos brutalen Vorgehens von US-Regierungsbehörden gegen eine
wissenschaftliche Erkenntnis, gegen seine Entdeckung der Orgonenergie. Reichs Orgonakkumulatoren wurden verboten, die
Zerstörung der Geräte wurde angeordnet. Es kam zu einer der größten Bücherverbrennungen der Publikationen eines
Wissenschaftlers: In drei Schüben wurden 6 Tonnen Bücher, Zeitschriften und Notizen Reichs im Auftrag von
US-Regierungsbeamten abgefahren und in die Öfen geschaufelt. Nach Hitlers Bücherverbrennungen war dies die zweite, die
Reich erleben mußte. Nach seinem Tod, bis in die 60er Jahre, wurden Bücher und Zeitschriften, in denen das Wort „Orgon“
vorkam, konfisziert und vernichtet. Reich selbst wurde vor Gericht zitiert und wegen einer Lappalie (Mißachtung des
Gerichtshofes) zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Reich fürchtete bei seiner Verhaftung, er würde im Gefängnis sterben
müssen. 14 Tage vor seiner Entlassung starb Reich in seiner Zelle: »Herzversagen« . Jerome Greenfield dokumentiert, gestützt
auf Gerichtsakten, Briefwechsel und Interviews mit den Beteiligten den Fall USA gegen Wilhelm Reich von den ersten
Hetzkampagnen gegen ihn (»Der neue Kult von Sex und Anarchie«), über die Bespitzelungen, Verbote, Prozesse, Zerstörungen
von Laborgeräten und Schriften, bis zum Gefängnisaufenthalt und Tod. (Aus dem Buchrücken von Greenfields Buch „USA
gegen Wilhelm Reich, Verlag 2001)
Das Interview
Jerome Greenfield beim Interview 1989
Ich sprach hier vorhin schon über den gerichtlichen Aspekt des Falls Reich. Und ich muß sagen, allgemein habe ich das Gefühl,
Reich hätte nicht ins Gefängnis zu gehen brauchen, hätte er den richtigen Rat befolgt. Wie wir bereits erwähnten, hatte die
Regierung in der Sache Reich einen sehr wackligen Fall. Dr. Baker hatte in mehreren Artikeln in zurückliegenden Ausgaben des
Journals of Orgonomy dasselbe gesagt. Da war dieser Dr. Silvert, ich weiß nicht, ob Sie von ihm gehört haben. Er ging mit
Reich ins Gefängnis und er war ein ziemlich extremer Fanatiker. Er unterstützte Reichs extreme Ansichten und unwirklichen
Erwartungen, Hoffnungen bezüglich des Prozesses. Reich steckte so tief in seiner Arbeit, daß er längst diesen klaren Bezug zur
Realität verloren hatte und nicht mehr wußte, was überhaupt um ihn herum passierte. Er lebte in der Zukunft, er lebte in und für
seine Arbeit und hatte total falsche Vorstellungen von all dem, was um ihn herum geschah. Silvert ermutigte ihn dazu, Baker war
dagegen und bestritt es, ebenso Raphael. Baker und Raphael waren zu der Zeit eng befreundet und sie meinten, Reich sollte
vor Gericht erscheinen und sich gegen die Anschuldigung verteidigen. Reich war darüber in Zweifel, worin ihn Silvert noch
bestärkte, und beschloß, dem Gericht fernzubleiben.
Haben Sie den Antwortbrief gelesen, den er geschrieben hat an den Richter. Er hatte ernsthaft erwartet, der Richter würde ihn
ernst nehmen. Dieser Brief ist ein wunderbares Dokument, doch so unrealistisch in den Augen eines jeden Mitarbeiters des
amerikanischen Gerichtswesens, als daß irgend jemand von denen es mit dem nötigen Ernst hätte betrachten können. In dem
Brief ging es überhaupt nicht um den eigentlichen Sachverhalt, sondern nur an die Grundlagen des Gesetzes. Reich versuchte
darin, das amerikanische Recht neu zu formulieren , neu zu konzipieren, anstatt sich selber gegen die gegen ihn erhobene Klage
zu verteidigen. Aus dem Grunde also verurteilte man ihn dann zu einer Gefängnisstrafe. Higgins glaubt nicht daran, einige
glauben nicht daran, daß es für Reich keinen Ausweg gegeben habe seine Integrität zu bewahren sowie einer Inhaftierung zu
entgehen. Mir schien das jedenfalls auch nicht der richtige Weg gewesen zu sein.
Glauben Sie, er wollte nicht ins Gefängnis?
Ich denke, es war ihm gleichgültig. Er war sehr entschlossen. Und möglicherweise wollte er auf die eine oder andere Weise
sterben, ermordet werden. Sehen Sie, es gibt nichts als Mord und Totschlag, was zum Etablissement eines Gefängnisses führt.
Schauen Sie sich an, was unlängst in China geschehen ist, die Tausenden und Aber tausenden Studenten, die ums Leben
kamen. Das ist verrückt und hat zudem in aller Welt solche Bedeutung erlangt. Und es ist das Morden, was zu einer bestimmten
Art von Wirklichkeit führt. Es könnte also durchaus sein, daß er so oder so den Tod suchte. Ich habe einen Artikel mit dem
Titel Wilhelm Reich im Gefängnis veröffentlicht, der sich auf Gefängnisunterlagen stützt, welche ich bekommen habe, nachdem
mein Buch erschienen war. Alle waren beunruhigt, Neill machte sich Sorgen, ob und wie Reich mit den Haftbedingungen fertig
werden würde. Doch Reich wurde ganz gut damit fertig. Er machte weiter seine Arbeit usw. , verbrachte viel Zeit in der
dortigen juristischen Bibliothek und schrieb, ob an Eva oder jemand anderes über sich, daß er sich zu seinem eigenen Erstaunen
prima eingewöhnt habe. So gesehen war es demnach gar- nicht so schlimm für ihn, und wie ich schon sagte, vermute ich, daß er
sich auf irgend eine Art den eigenen Tod herbeisehnte. Ich weiß nicht, wie viele Leute in der Orgonomie letztendlich daran
glauben würden, aber nach dem, was passiert ist, könnte man das als eine Möglichkeit annehmen.
Haben Sie Reich persönlich beim Prozeß gesehen?
Ja, ich war bei der Verhandlung dabei. Damals war ich in Therapie bei Dr. Tropp, den Sie vielleicht kennen. Ich war über Jahre
hinweg sein Patient. Als dann der letzte Verhandlungstag heran war, ging Bob sämtliche Therapeuten und deren Patienten
holen, die er auftreiben konnte, damit diese ihre Solidarität und Unterstützung für Reich im Gerichtssaal bekundeten. Also kam
auch ich dahin.
Der Aussage in Makaveyev- Film zufolge heißt es nun in den Unterlagen der FDA, daß der Verhandlungsraum in Portland des
Bundesstaates Maine wie Greenwich Village aussehe. Es waren so viele, die Zeit der Hippiebewegung und des Beats usw.
hatte begonnen und sie alle waren gekommen, um Reich beizustehen. Ich habe Reich dort getroffen. Es war so ungewöhnlich.
Im übrigen schreibt Myron Sharaf in seinem Buch darüber, wie nach der Urteilsverkündung Reich in die Halle hinaustrat und all
seine Sympathisanten ihn umringten. Ich stand etwas abseits und fühlte auf einmal, daß ich augenblicklich Zeuge eines
historischen Ereignisses wurde. Ich betrachtete ihn von da so eindringlich, daß er sich unentwegt nach mir umdrehte. Er war ein
sehr empfindsamer Mensch, nicht wahr. Er drehte sich also ständig nach mir um, betrachtete mich und schaute wieder zu den
Leuten, die ihn umringten. Später dann schritt er die Halle entlang, ich postierte mich so, daß ich von vorn sehen konnte wie er
aussah; er erblickte mich, kam herüber zu mir und fragte mich, wer ich sei. Wir gaben uns die Hand.
Wie oder warum kamen Sie also zu der Entscheidung, diese Untersuchungen zu seinem Prozeß anzustellen?
Interessieren Sie sich für Rechtsfälle?
Nein, überhaupt nicht. Ich mußte in der Sache recherchieren, weil man mir dieses Buch in Auftrag gegeben hatte. Dieses
Erlebnis, dabei gewesen zu sein, ließ mich nämlich nicht mehr los, und ich wußte so gar nicht, was da eigentlich abgelaufen war.
Ich glaube, die meisten von denen, die mit Reich persönlich zu tun gehabt hatten oder bei ihm in der Therapie waren, konnten
sich nicht erklären, was das alles zu bedeuten hatte. Auch ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Außerdem war gerade
die Zeit der Hippies angebrochen, und Reich war in der Antikultur beliebt und populär, somit waren Agenturen und Verleger an
diesem Buch interessiert. Also legte ich es ihnen vor. Sie gaben mir einen Vertrag und ich konnte der Sache nachgehen und
machte bei der Gelegenheit eine ungeheure Entdeckung für mich. Denn am Ende wußte ich Bescheid darüber, was da nun
wirklich abgezogen worden war. Deshalb schrieb ich das Buch.
Was hat Sie bei Ihren Nachforschungen besonders beeindruckt?
Nun, ich ging zunächst ins Washington D.C. und verbrachte zwei bis drei Wochen im dortigen Büro der FDA.
Verblüffenderweise muß ich gestehen, daß ich die Leute dort mochte. Sie waren sehr hilfsbereit. Jedenfalls die meisten. Sicher
nicht alle. Zwei von ihnen waren im Reich-Prozeß verwickelt, das war Anfang der 70er Jahre, der Prozeß hatte Ende der 40ger
Mitte der 50er Jahre begonnern, es waren also einige von denen immer noch dabei. Die waren nicht gerade freundlich und
entgegenkommend. Die wollten auch nicht, daß ich an die Unterlagen gelangte, sondern an den Chef der Abteilung, in der ich
mich befand, geriete. Die Abteilung nannte sich „Department of Compliance (Konzessionsabteilung bzw.
Gewerbeaufsichtsbehörde). Entgegen deren Einwände händigte er mir die Unterlagen aus. Natürlich mußte ich ihnen eine Lüge
auftischen. Daß ich Reichianer war, konnte ich ihnen nicht erzählen. Statt dessen erzählte ich denen einfach, daß ich lediglich an
dem Prozeß interessiert sei, weil eine Menge von meinen Studenten am Collage sich für Reich interessierten und ich selber
davon gehört hätte und nur wissen wollte, was da eigentlich los war. Auf die Weise kam ich an das Material. Und nicht zuletzt
war ich doch verblüfft von der Vollständigkeit der Unterlagen. Alles war da drin vermerkt und dokumentiert. Fünf große
Kästen voller Dokumente.
Diese Dokumente, waren das Bücher oder was?
Nein, nein, lose Seiten waren das. Ordnerweise in den Büroschränken. Und unter anderen hatten sie eine Kopie von „Contact
with space “ und anderen Büchern von Reich.
Waren Sie auch in der Washington Bibliothek?
Ja, aber das war nicht ich. Das war ein Freund, der nicht genannt werden will. Der erzählte mir, er wäre in der Eisenhower
Bibliothek gewesen.
Und die haben das an den xy geschickt?
Ja. an den Geheimdienst Er meinte, er habe mindestens an die vierzig Stellen in diesen Ordnern ausmachen können. Ich schaute
unter Reich nach, ob da nicht eine Kartei existierte, wo drin stand, daß diese Unterlagen die an die Eisenhower Bibliothek ge-
gangen waren, an den Geheimdienst geschickt wurden. Er sprach mit dem Bibliothekar und fragte ihn, wie es dazu gekommen
sei. Warum sie das getan hätten? Sie und er erklärten ihm, daß sie mit allem, was für den Präsidenten bestimmt sei und worin
sie eine Gefahr sähen, so verfahren. Sie schickten das an den Geheimdienst und der prüfte das nach.
Und behält es ein?
Freilich behält der das ein. Ja, wie vorhin schon gesagt, ließ ich mir also die Unterlagen kommen und versäumte nicht zu
erwähnen, was wir über Reich wußten, weil Reich ihnen Kopien von seinen Büchern z.B. „Adam ist für den Frieden“…“Wider
die Higs“ etc.. Sicher wären auch noch andere Dinge in diesen Drucken, die er ihnen zugesandt hatte, die aber nicht
veröffentlicht wurden, interessant gewesen einzusehen. Wie Sie vielleicht wissen, hatte er große Achtung vor Eisenhower. Er
wähnte Eisenhower auf seiner Seite usw.
Gab es dafür irgendwelche Beweise? Hatte Eisenhower jemals Kontakt zu Reich?
Nein. Einmal hatte es fast sowas wie einen Beweis gegeben. Eisenhower begab sich auf eine Angeltour nach Rangeley im
Bundesstaat Maine, als auch Reich sich dort aufhielt. Und während meiner Recherchen zu dem Buch hörte ich, daß eine Frau
dort Eisenhower gesehen haben will, wie er sich mit Reich getroffen habe. Sie gehörte zu der Gruppe von Leuten, die
Eisenhower auf seinem Ausflug begleiteten, vielleicht gehörte sie auch zu den Leuten in Maine, von denen einer Reiseführer war.
Das wäre doch phantastisch, nicht wahr, dann hätte Reich ja Recht gehabt, daß Eisenhower tatsächlich Interesse für ihn zeigte.
Das wäre dann alles keine Einbildung nur von Reich gewesen.
Ich ging dem nach, und wie sich herausstellte war das Ganze ein Irrtum seitens dieser Frau. Sie hat die beiden nie zusammen
gesehen. Ich fragte anschließend Haggardy, Eisenhowers Pressesprecher.- Nein, halt.- Zunächst einmal schrieb ich noch an die
Eisenhower Bibliothek und erkundigte mich dort nach einem eventuellen Fahrten – oder Protokollbuch, wissen Sie, wo
sämtliche Eintragungen diesbezüglich gemacht werden, wo praktisch alles über Eisenhower drin steht: wen der Präsident wo,
wann und zu welchem Thema empfangen oder gesprochen hat. Ja und Haggary erzählte mir, daß er selber vor Ort gewesen sei
und sich an keinerlei Vorfall wie diesen erinnere und daß es. wenn es sich denn tatsächlich s0 zugetragen hätte, auch in den
Archiven vermerkt sein müßte. Ich vermute stark, daß man diesen gesamten Abschnitt aus gutem Grund aus den Unterlagen hat
verschwinden lassen. Ich nehme also an, daß da .jemand Alarm geschlagen hat. Wer weiß das schon so genau. Es konnte ja
durchaus auch so gewesen sein. Ich sprach vorhin davon, daß einige Dinge im Zusammenhang mit dieser Affäre noch immer
nicht aufgeklärt sind, weder durch uns noch durch sie, wenn es überhaupt jemals dazu kommt. Ich kann’s nicht sagen.
Könnten sie die Hauptgedanken ihrer Untersuchungen kurz nennen, die Quintessenz in einem Satz zusammenfassen?
Falls es sie nicht erschreckt, das läßt sich nicht in einem Satz sagen. Doch ein paar Höhepunkte lassen sich schon herausstellen.
Die ganze Sache begann 1948 und dauerte etwa ein Jahr. Sie lag damals in der Zuständigkeit der FDA-Bundesbehörde von
Maine. Soweit, so gut. Die schickten ihren Bericht ans Washington D.C.. Und es geschah gar nichts, wenigstens zwei, drei
Jahre passierte nichts. Reich sagte sich, aha, nun habe ich sie also doch überzeugt, daß ich okay bin und sie nichts zu befürchten
brauchen und ich letztlich doch kein Spinner bin. Sie hielten Reich nämlich für einen ausgemachten Spinner und glaubten, Reich
führe Buch über sein Sexualleben und all dieses Zeugs. Reich setzte sich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung, dieser reichte
Klage gegen sie ein und Reich meinte, das habe seine Wirkung gezeigt, was aber nicht so war. Das war auch ein Beispiel dafür,
wie sehr Reich seine Umwelt die ganze Zeit verkannt und die Dinge stets zu optimistisch gesehen hatte. Tatsache ist, daß sie
derweil noch andere Fälle hatten, jedoch 1952 bekam die FDA mehr Gelder und konnte daraufhin ihre Tätigkeit ausweiten und
gedachte jetzt einer Reihe von, wie sie es nannten, Quacksalbern auf die Schliche zu kommen. Dazu rechneten sie auch den Fall
Reich. Also wurden 1952 die Ermittlungen fortgesetzt, nur nicht mehr von einer örtlichen Behörde, sondern vom Washington
D.C. höchst persönlich. Und zwei Jahre später, wie sie vielleicht wissen, wurde Klage gegen ihn erhoben. Das war 1954.
Verzeihung, Beschwerde wurde gegen ihn erhoben, und Reich reagierte darauf , indem er nicht vor Gericht erschien, sondern
den Brief schickte. Und er meinte, der Richter werde diesen schon ernst nehmen, was wiederum für seinen übersteigerten
Fehloptimismus sprach. Eine wichtige Sache, die ich in meinem Buch ausführe ist Reichs Realitätsverlust: Er hatte keinen
Kontakt mehr zur gesellschaftlichen Realität. Gleichzeitig habe ich versucht eindeutig klarzustellen, daß das nicht heißt, er sei
übergeschnappt gewesen. Was seine wissenschaftliche Arbeit betraf, war er auf jeden Fall bei klarem Verstand. Zu seiner
wissenschaftlichen Arbeit hatte er ein vollkommen gesundes Verhältnis. Nur mit der gesellschaftlichen Realität, mit den
alltäglichen Dingen um ihn herum wußte er so gar nichts Richtiges mehr anzufangen.
Diesbezüglich beruhten seine Ansichten , wie ich meine, auf puren Fehleinschätzungen. Er schickte also diesen Brief, den der
Richter nicht ernst nahm. Ich hab das alles in meinem Buch, auch des Richters Antwortschreiben, und dann folgte eine
Versäumnisklage. „Versäumnis“ bedeutet Reich hatte den Fall verloren, weil er nicht vor Gericht erschien. Und eben weil er
nicht anwesend war, konnten Peter Mills und die anderen Leute von der FDA, die Reichs Fall bearbeiteten, aber auch alles in
die Klage hineinpacken. Verstehen Sie, sie mußten etwas vorsichtig sein, daß sie nicht völlig mit dem Gesetz in Widerspruch
gerieten. Doch denken Sie nur, die Anklage wog verdammt schwer. Sie bezichtigten alle seine Bücher der Werbung für den
Orgonakkumulator. Ich nehme an, Sie wissen das, nicht wahr?. Und Reich hatte vermutlich gegen das Gesetz verstoßen indem
er die Akkumulatoren zwischen den Bundesstaaten vertrieb. Hätte er deren Vertrieb auf einen Bundesstaat beschränkt und sie
nicht über dessen Grenzen hinaus verschickt, hätten sie gar keine rechtliche Handhabe zu seiner Verfolgung gehabt. Er unterlag
somit also der Bundesgesetzgebung und dem Bundesgericht. Das ist zum Teil lächerlich, weil etliche seiner Bücher geschrieben
waren, bevor er überhaupt die Orgonenergie entdeckte. Doch in der Klageschrift heißt es halt nach wie vor, die Bücher seien
von Orgone Institute Press herausgegeben, mit anderen Worten ist es das Wort „Orgon“ an dem sie sich störten. Und das
trotzdem die Bücher das Wort mit keiner Silbe erwähnen. Sie sind eben bei Orgone -Institute Press erschienen , also stehen sie
auch in Verbindung mit dem Orgonakkumulator und machen letztlich auch für ihn Werbung. So war nun mal ihre Auslegung.
Auf dieser Grundlage formulierten sie schließlich ihre Beschwerde und veranlaßten gemäß der Anklage, daß die Bücher
verboten und später verbrannt wurden.
Das Bundesgesetz gilt demnach nicht in den Staaten oder gilt es in anderer Form?
Ja genau, aber nein, ich meine, jeder Bundesstaat hat seine eigenen Gesetze und Bestimmungen, sie hätten sich darum nicht zu
scheren brauchen. Ich weiß nicht, was sonst passiert wäre, hätte sich die Bundesregierung nicht darum gekümmert. Ich weiß
auch nicht, ob sich die Regierung des Staates New York von sich aus eingeschaltet hätte. Allerdings wäre Reich der ganze
Ärger erspart geblieben, hätte er die Akkumulatoren nicht in andere Bundesstaaten verschickt. Und letztlich hatte er das auch
gar nicht vor, bis dann dieses Projekt in Arizona anstand. Dieses Regenmacherprojekt in Arizona, nicht wahr. Und zu dem
Zweck, daß Geld für diese Expedition reinkam, war besagter Dr. Silvert die meiste Zeit – zeitweise war er zwar mit dort – die
längste Zeit aber war er hier an der Ostküste verblieben; ja und wie anders hätte er Geld ranschaffen sollen als über den
fortgesetzten Verleih von Orgonakkumulatoren. Also verschickte er Akkumulatoren. Reich seinerseits beabsichtigte nicht im
geringsten, der Anklage, die das ausdrücklich untersagte, zuwiderzuhandeln. Doch Silvert meinte, stur und fanatisch wie er war,
die Sache wäre so wichtig gewesen, daß man ruhig gegen das Gesetz verstoßen konnte. Und er machte weiter. Später, als
Silvert der Expedition in Arizona einen Besuch abstattete, erfuhr Reich davon, doch der zuckte wohl nur mit den Schultern und
sagte nichts weiter dazu. Wissen Sie, Reich selber hätte das nicht gemacht, aber okay er akzeptierte es. Das war also der
eigentliche Anlaß, warum man Reich vor Gericht brachte. Das heißt, daß er die vom Bundesgericht gegen ihn erhobene Klage
mißachtete und weiter die Akkumulatoren staatengrenzenüberschreitend versandte. Wenn er gewollt hätte, wäre der Prozeß zu
verhindern gewesen. Zum Beispiel hätte er sich von Silvert distanzieren können. Es war doch Silvert und nicht er, der es getan
hat. Doch offenbar konnte er das nicht, weil er ja das Geld, das er von Silvert für den Verleih der Akkumulatoren bekam,
dringend für die Expedition benötigte. Er konnte es nicht ausschlagen. Jedenfalls hätte er sich zum einen auf die Weise aus allen
Rechtsstreitigkeiten heraushalten können. Zum anderen hätte er bloß auf die erste Beschwerde vernünftig reagieren und vor
Gericht erscheinen brauchen, statt seiner Polemik über Kompetenz oder Inkompetenz der Gerichte, über wissenschaftliche
Angelegenheiten im Verhandlungssaal zu befinden.
Nicht war? Doch Fakt ist folgendes: Er hätte hingehen und die Wissenschaft völlig aus dem Spiel lassen und statt dessen die
gerichtliche Rechtsprechung anzweifeln können. Er hätte das Material gar nicht vorlegen brauchen und hätte sagen können, daß
das Ganze den Rahmen des Rechtssystems sprenge usw. usf. Er tat`s nicht. Hätte er es, hätte es im Ermessen des Richters
gelegen zu sagen, ob oder nicht und man hätte zum nächsten Schritt übergehen können. Möglicherweise hätte der Richter die
Sache fallengelassen. Als dann aber Reich dem Gericht mit seinen wissenschaftlichen Er- örterungen kommen wollte, blockte
der Richter ab und sagte nur, dafür sei es nun wirklich zu spät, das interessiere sie nicht. Für sie sei nur wichtig, ob er die
Anklage beachtet oder mißachtet habe. Reich ließ nicht locker, der Richter sagte, das tue hier nichts zur Sache. Wäre Reich
hier konsequenter gewesen falls er überhaupt später noch dazu bereit war, hätte er am Anfang viel mehr erreicht, anstatt
wegzubleiben. Noch eine andere Sache, die er hätte verfolgen können. Reich hatte doch eine Menge Rechtsanwälte, nicht
wahr? Warum befolgte er nicht deren Rat? Er berief sich lediglich auf vertrauliche Prozeßdaten, die er von ihnen bekommen
hatte, zog es dann aber vor in seinem gerichtlichen Fall so umzugehen, wie er es schließlich für richtig hielt.
Haben Sie von Peter Mills gehört? Gut, wie sie vielleicht wissen, hatte Reich ihn bevor er Staatsanwalt von Maine wurde, ins
Vertrauen genommen. Reich hätte das angeben können, er hat’s nicht gemacht.
Laut Reichs Tagebuchaufzeichnungen war Peter Mills bei den Besprechungen dabei, wo es um die Angelegenheit mit der FDA
ging. Damit wäre Peter Mills doch disqualifiziert gewesen; ich meine, man kann doch nicht von jemandem vertrauliche
Informationen bekommen und diese hinterher gegen selbigen verwenden, stimmt´s ? Dafür hätte er Peter Mills strafen können.
Ihn sozusagen suspendieren lassen, seine Zulassung zurückziehen o.ä.. Reich wollte davon nichts wissen. Das wäre aber auch
eine Möglichkeit für ihn gewesen, seinen Rechtsstreit beizulegen. Und es gab noch eine letzte Chance die er auch verpaßte.
Und letztendlich kam die Sache vors Schwurgericht, wo Reich als sein eigener Verteidiger auftrat. Er verfluchte die
Geschworenen und beschimpfte den Staatsanwalt wegen der FDA.. Ich war dabei, als er am Ende des Prozesses wahrlich
seltsame Dinge sagte. Er sagte: „Überall wo ich mich mein Leben lang hinwende stoße ich auf verschlossene Türen“. An zwei
Dinge, die er sagte, erinnere ich mich, und das ist eins davon. Interessanterweise fehlen diese Beschimpfungen in Reichs
Prozeßakte. Fragen Sie mich nicht warum, ich weiß es nicht. Am Schluß seiner Ausführungen seines Plädoyers sagte er vor den
Geschworenen: „Verzeihen Sie, wenn ich im Unrecht bin und das folgende besser nicht sagen sollte, möchte ich doch, daß die
Herren Geschworenen wissen, daß es mich gefreut hat, die letzten paar Tage hier gewesen zu sein und in derart
aufgeschlossene und ehrliche Geschworenengesichter geblickt haben zu dürfen“ . Sowas zu sagen – ich finde das schon seltsam,
muß ich sagen. Zumal diese Geschworenen nicht gerade den Eindruck erweckten, als wären sie aufgeschlossen und offen.
Danach zog sich das Schwurgericht für fünfzehn Minuten zurück, um das Urteil zu fällen. Und Reich war schockiert, als er das
Urteil hörte. Er hatte wirklich geglaubt, er würde rehabilitiert, nicht wahr? Und dann verließ er den Gerichtssaal und draußen im
Foyer-, wurde er umringt von seinen Anhängern, wirkte ziemlich abgespannt und glaubte, daß sich vor seinen Augen ein
Skandal abgespielt hätte.
Aber was war denn passiert? Das war im Mai ’56, und dann wurde er verurteilt. Ich weiß nicht mehr genau, ich glaube
ungefähr eine Woche danach. Ja , und das Urteil war gepfeffert, nicht wahr, zwei Jahre Gefängnis. Silvert bekam ein Jahr und
einen Tag, die Wilhelm-Reich-Stiftung mußte eine Strafe von 10.000 $ zahlen. Die war auch saftig. Reich ließ sich auch hiervon
nicht aus der Ruhe bringen und wandte sich an die nächst höhere Gerichtsinstanz, um Berufung einzulegen. Die bestätigten das
Urteil, Reich wandte sich ans Oberste Gericht. Der Oberste Gerichtshof lehnte eine Urteilsrevision ab und Reich konnte nichts
mehr tun. Es kam also der Tag, an dem Reich erneut vor Gericht stand. Und interessant dabei ist, daß der Hilfssherif Doherty,
so hieß er, Reich kannte. Er war in dieser Gegend zu Gange und hatte Reichs Arbeitspapiere zuvor schon eingesehen, aber er
war sehr freundlich zu Reich. Ich interviewte ihn in Portland, er war ein sehr anständiger Mensch. Er entschuldigte sich sogar
bei Reich, daß er das tun müsse, legte ihm die Handschellen an, und Reich sagte, das wäre okay, er hätte auch nur seine Pflicht
zu erfüllen. Und er erzählte mir, daß er Reich und Silvert ins Bundesgefängnis von Connecticut gefahren habe. Den Namen des
Gefängnisses habe ich leider vergessen. Und Reich und Silvert hinten im Auto sitzend, mit angelegten Handschellen hätten sich
auf der Fahrt nach Connecticut über Witterungsbedingungen unterhalten, die Landschaft betrachtet und an verschiedenen
Bäumen die Auswirkungen toter oder erstarrter Orgonenergie (DOR) festgestellt. Reich war dann wohl so zwei Wochen in
diesem Gefängnis, dessen Name mir jetzt nicht einfallen will. Der Richter war ihm sehr zugetan. Haben Sie Ilses Buch gelesen?
Erinnern Sie sich an die Stelle, wo sie sagt, während der Verhandlung habe der Richter sie hereingerufen und sie gefragt, warum
sie für Reich nicht auf „geistesgestört“ setzen wollte. Und sie habe keinen anderen Ausweg gewußt, seine Inhaftierung
abzuwenden. Letzteres hänge von einem psychiatrischen Gutachten ab. Er bekam solch ein Gutachten erstellt. Silvert wurde
ebenfalls einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen. Nun, Silvert wurde für gesund erklärt und bekam lediglich eine
Diagnose unter der Bezeichnung „folie à deux “ (Beziehungswahn). Sprechen Sie Französisch? Eben eine unbedacht begangene
Dummheit. Reich hingegen schätzte man als krank, nicht normal ein. Ich sprach mit dem Gefängnispsychiater in Connecticut,
und der sagte: „Oh ja, ich habe Reich in dem Zimmer untersucht, mit ihm gesprochen…“ Er war seinerzeit ein noch junger
Psychiater der von Reich als dem großen Mitarbeiter von Freud gehört hatte, und es wäre ihm höchst unangenehm gewesen,
mit dieser Untersuchung betraut worden zu sein und ein solches Gutachten zum geistigen Zu- stand Reichs erstellen zu müssen.
Dann hörten sie ein Flugzeug, Reich schaute aus dem Fenster und sagte: „Sehen Sie das Flugzeug da? Das ist Eisenhower, er
hält nach mir Ausschau.“ Darauf die verzweifelte Frage des Psychiaters „Was hätte ich tun können? Ich meine, das war schon
ganz schön verwirrend. Er (der Psychiater) sagte: “ Das war pure Absicht von ihm, ich sollte denken, er wäre verrückt. Und
dann kriegte ich plötzlich mit, daß er das in vollem Ernst gesagt hat.“
Daraufhin bekam Reich diese Diagnose, ich weiß nicht mehr, was ihr genauer Wortlaut war, doch wurde er für nicht normal
und verhandlungsunfähig erklärt. Die Unterlagen habe ich, von der FDA. Als Peter Mills davon erfuhr, bekamen sie es mit der
Angst, daß drei, vier Jahre umfangreicher harter Arbeit umsonst und wertlos würden, nur weil am Ende einer unter ihnen geistig
nicht zurechnungsfähig ist. Insbesondere war es Mills , der sich in unzähligen Briefen an verschiedene Gefängnisbehörden und
Washington D.C. wandte, woraufhin Reich ins Gefängnis nach Lewisburg im Bundesstaat Pennsylvania überführt wurde. Dort
wurde er noch mal untersucht. Diesmal aber lautete die Diagnose: völlig gesund. Man habe zuviel Druck auf ihn ausgeübt, den
habe er nicht mehr ausgehalten.
Bleibt aus unserer Sicht zu fragen, was nun besser war. Wäre es besser gewesen, Reich für verrückt zu erklären und ihn aus
dem Gefängnis zu entlassen, oder was meinen Sie? Ich weiß nicht, da war doch überall dieses Gerücht im Umlauf. Ich glaube,
ich habe es von Myron Sharaf gehört, daß Reich höchst selbst darum gebeten habe.
Daß man ihn für gesund erklärte?
Ja natürlich, weil über seine geistige Unzurechnungsfähigkeit überall gemunkelt wurde. Stellen Sie sich vor, die Ansicht, Reich
wäre verrückt gewesen, hätte sich durchgesetzt wäre es ein leichtes gewesen, sie alle fallenzulassen.
Herskowitz erzählte uns dieselbe Geschichte, daß Reich selber einmal zu ihm gesagt haben soll, Eisenhower würde
nach ihm sehen, sobald ein Flugzeug zu hören war. Herskowitz erzählte ihm, er würde das nicht denken. Orgonon
würde an einer Flugroute liegen. Reich sagte dann darauf: „Das ist möglich“. Und dann machte er weiter mit seiner
Arbeit. Und Herskowitz sagte, daß jemand, der psychotisch sei, sich niemals von seiner Meinung abbringen – sondern
sie energisch und unnachgiebig verteidigen würde.
Wissen Sie, daß die Übliche, allgemeingültigen Kategorien und Theorien zur Beurteilung des Geisteszustands eines Menschen
keineswegs auf Reich anzuwenden sind. Bei so einem Genius, wie Reich einer war, da fallen die doch völlig raus. Auf eine Art
war er schon unglaublich weltfremd, d.h in seiner Vorstellung, daß er der Anführer einer Armee wäre, die gegen Ufos u.s.w.
kämpfe. Aber die normalen psychotischen Kriterien für eine Diagnose treffen so einfach nicht zu.
Eine andere Sache noch, wenn Sie gestatten. Als ich also mit dem Psychiater sprach, Hubbard war sein Name,- da zeigte ich
ihnen die Unterlagen von Washington D.C, die darin seine vollkommene geistige Gesundheit bescheinigten. Ich sagte: „Finden
Sie das in Ordnung? Sie behaupten hier, er wäre nicht normal und stellen ihm diese Diagnose. Die in Lewisburg aber behaupten
ganz was anderes?“ Und ich krieg von ihm zur Antwort: „Na klar ist mir das aufgestoßen, ich habe die auch angerufen und
gefragt, ob es damit seine Richtigkeit habe, und die antworteten mir, oh natürlich wüßten sie, daß der noch viel verrückter als
ein Fruchtkeks sei, das wäre aber von oben so entschieden worden und ich solle es vergessen.“
Und die wußten das?
Ja klar wußten die das. Müssen sie auch, bei dem Druck, den man ihnen gemacht hat. Die Unterlagen enthüllen zudem, daß
Mills und die FDA mit den Gefängnisbehörden in Verbindung getreten waren und diesen Fall vorgebracht hatten, und an ein
Dokument erinnere ich mich genau. Wer es verfaßt hat, weiß ich nicht mehr, aber darin hieß es: So und so, die
Gefängnisbehörde verstehe sehr wohl, was wir gesagt hätten. Sie sehen also erst auf diesen Druck hin wurde eine derartige
Diagnose erstellt und sie entsprach nicht unbedingt auf Treu und Glauben den Kriterien eines psychiatrischen Gutachtens. Aber
dennoch bin ich mir nicht sicher, was wohl besser für ihn und seine Arbeit gewesen wäre. Stellen Sie sich ein Gutachten vor,
das ihn für verrückt erklärt hätte, das wäre doch verheerend gewesen nicht wahr? Zumal er bereits inhaftiert war-, denke ich
schon, daß das einzig Richtige für ihn war.
War Mills zu dem Zeitpunkt als die FDA den Fall einzuleiten begann, bereits in der Sache verwickelt oder nicht?
Nein. Mit den Vorermittlungen in den Jahren ’48-49, wie ich es nenne, hatte er noch nichts zu tun. Er war Reichs Berater,
gehörte aber nicht zur Bundesregierung. Später erst, in den 50er Jahren, bekam er offensichtlich diesen Posten.
Können Sie irgend etwas dazu sagen, warum man sich letztendlich entschied, den Fall vorzubringen bzw. zu verfolgen,
und zwar nachdem 1951-52 die Sache für die FDA-Bundesbehörde interessant geworden war?
Wie kam es, daß sie schließlich meinten, Reich gehöre mit den anderen zusammen zum Kopf dazu?
Ich sprach mit jemandem, der zu der Zeit bei der FDA war und der sagte eben auch daß es nur eine kleine unbedeutende
Aktion war. Wie viele Leute daran beteiligt waren, wieviel Geld im Spiel war, nimmt sich im Vergleich zu einigen anderen
echten medizinischen Skandalen oder Betrügereien ziemlich mickrig aus. Desweiteren sagte er, er wisse nicht so genau, warum
das zu der Zeit damals nicht zu Papier gebracht wurde. Zudem hätten sich viele Psychiater und Mediziner schriftlich über Reich
und dessen Arbeit beschwert und wollten der Sache nachsehen, sodaß die sich zu einer Überprüfung solcherlei Schriften
veranlaßt sahen. Schuld war demzufolge nicht etwa eine Riesenoperation, sondern Reichs enorm große Gegnerschaft.
Ungeheuer viel Druck übten die auf sie aus, Unmengen von Briefen gingen ein, die sich gegen Reich richteten. Die Sache fing
damit an, daß, wie war gleich ihr Name? Mildred Brady, daß Mrs Brady all diese Artikel verfaßte. Damit wurde die Regierung
überhaupt auf Reichs Tun aufmerksam. Daneben waren es Leute von der nationalen Psychoanalytischen, Psychiatrischen und
Amerikanischen Medizinischen Gesellschaft, die sich mit ablehnenden Schreiben gegen Reich an die Regierung wandten. Das
alles trug dazu bei, daß man sich Reichs Fall herausgegriffen hat.
Und zu welchem Zeitpunkt wurde nun Mills ins Geschehen eingeschaltet ?
Mills trat auf den Plan, wie ich schon sagte, wohl nach den drei Jahren, die die FDA Reich in Ruhe gelassen hatte. Also nach
dem Zeitraum 1949-52 und zum Jahre 1952 hatte Mills….. Halt, einen Augenblick. Das war das Jahr, als die FDA den Fall
wiederaufnahm und ihre Ermittlungen einleitete und danach flatterte uns dieser Brief ins Haus, der sich als ein wahrer Glücksfall
herausstellte. So erfuhren wir nämlich, daß Peter Mills, der Reich persönlich gekannt hatte, zum Staatsanwalt von Maine
ernannt worden war. Wunderbar. Also nahmen sie jetzt Verbindung zu Mills auf, was nicht ausdrücklich dasteht, sondern nur
zwischen den Zeilen. Ich vermute, daß es Mills im Augenblick seiner Ernennung furchtbar peinlich war, weil er vormals mit
Reich zu tun gehabt und ihn auch ernst genommen hatte. Nun wollte er diesen wunden Fleck der – Vergangenheit aus seiner
Karriere tilgen und nahm Rache an Reich, daß er am Ende gut dastand. Zur gleichen Zeit aber erzählte er mir, daß irgendwann
48/49 ihm Reich telefonisch mitteilte, er solle ein Affidavit (eine eidesstattliche Versicherung oder- Erklärung) zur Funktion des
Orgonmotors vorbereiten. Ich machte ein Interview, bei dem er sagte: „Oh ja, dieser Motor erreichte sechzig Meilen in der
Stunde.“
Sie sehen, er hatte die Sache mit dem Orgonmotor völlig ernst genommen. Er war halt ein schleimiger Typ. Auch Ilse erzählte
ihnen einmal, sie habe gehört, als Kind soll er ein Schleimer gewesen sein. Das war Peter Mills ganz bestimmt „Sneaky beat“-
das sagt man so in Amerika. «Sneaky« Sie kennen diesen Ausdruck? Jemand, der unehrlich, ein Kriecher, Heuchler ist usw. In
einem frühen Dokument, als die Angelegenheit um Reichs psychologisches Gutachten anfing, äußerte er sich dazu: „Ah ja, das
ist doch nicht normal, diesen ganzen Quatsch kann doch keiner ernst nehmen.“ Jedoch nach der offiziellen Verlautbarung durch
den Gefängnisarzt von Denburry, Reich sei geistig nicht normal, hörte sich das bei ihm plötzlich so an. „Ich war mit Reich so
viele Jahre zusammen und habe an ihm nie irgendwelche Anzeichen einer geistigen Störung festgestellt ….“ etc.. Seine Aussagen
dazu waren so widersprüchlich, Reich bezeichnete ihn als „die Judaszahnfäule des 20. Jahrhunderts“ . Sie wissen, was mit
«Judaszahnfäule« gemeint ist? Bei dem Interview mit Mills war sein Sohn gerade da. Ich erzählte ihm, weswegen ich hier sei;
wirklich ein netter Junge. Schneid hatte der, und wollte in die Juristerei, gerade von Yale abgegangen . Er legte seinen Arm um
des Vaters Schultern: … „wir haben es hier also mit dem Judasschen Kariesbefall im zwanzigsten Jahrhundert zu tun ….“
Der Junge hatte wirklich einen Sarkasmus, nicht ? Dabei sah Mills so nett aus. Bevor ich ihn kennenlernte, wissen Sie, las ich
alles über ihn. Und warum ich „schreckliche Person“ sagte, liegt daran, daß ich wirklich dachte, ich bekomme ein wahres
Monster von einem Kerl zu Gesicht. Und da steht dann dieser etwas schwerfällige, gemütliche, sympathisch lächelnde Typ vor
mir . Ich erinnere mich, wie ich das Myron mal erzählte und der mir sagte: “ ja, ja, das sei eben unter dem banalen oder
unscheinbaren Charakter des Bösen zu verstehen.“
Haben Sie diesen Begriff schon mal gehört? Banaler Charakter des Bösen?. Ich weiß nicht, ob Sie von einer nach Amerika
emigrierten Autorin namens Hannah Arendt schon mal was gehört haben. Sie schrieb ein Buch „Eichmann in Jerusalem“,
stimmt´s? Da sagt sie, Eichmann sah auch aus wie ein gewöhnlicher Bürokrat, schmaler Horizont und trotzdem hatte der solch
ungeheuerliche Dinger drauf. Sie nannte das den banalen Charakter des Bösen – Banalty of evil. Banal heißt einfach nur doof,
dümmlich, nichts dahinter. Okay. Wenn also jemand einen banalen Charakter hat, erwartet man solche ausgesprochen feisten
Typen, nicht wahr, und dann sind das meistens ganz gewöhnliche dumme Leute, halt Bürokraten, die bekanntermaßen nichts
kapieren. Die haben von nichts eine Ahnung. Und Myron meinte, das träfe auf Mills zu. Ja, das stimmt, denn dem Kerl sah man
den miesen Type wirklich nicht an.
In diesem Film von Meller Marcovicz? Haben Sie die Szene noch in Erinnerung, wo Mills seinen Wagen fährt? Meller
-Marcovicz zitiert da aus der offiziellen Prozessakte. Und sie zitiert, was Reich Mills über dessen Verhältnis zu ihm
gefragt hat. Er antwortete darauf, daß er Reichs Familie nie gekannt und nie eine Beziehung zu ihr gehabt habe.
Oh ja, das ist eine infame Lüge.
Im Auto dann erkundigte er sich bei ihr nach Peter. Nach Ilse, was die jetzt wohl machen würde….Und er sagte
„werden Sie Ilse Ollendorf ausfindig machen? Ich weiß nicht wie sie das aufnehmen wird, aber richten Sie ihr schöne
Grüße von mir aus, wenn Sie sie sehen. Ich habe angenehme Erinnerungen an sie.“
Auch beim Prozeß sagte Reich vor Gericht, daß er ein Freund der Familie gewesen sei. Warum er sich ganz und gar auf die
andere Seite geschlagen habe, warum er nicht ein einziges Wort für die andere Seite eingelegt habe? „Aber Sie waren doch ein
Freund oder nicht?!“ „Nein, war ich nicht“, war die Antwort, worauf der Richter sagte: „Wo standen Sie dann? “ „Mag sein,
daß ich mal eine Tasse Kaffee mitgetrunken habe, als ich da mal reinschaute“. (Gericht: „Mit Milch und Zucker“ – Reich:
„Genau“) Es war aber mehr zwischen ihnen gewesen. Ilse erwähnte in ihrer Biographie, daß er schnell mal vorbeikam und für
eine Weile blieb. Er mochte Reich, wissen Sie, und er war beeindruckt von seiner Arbeit. Als er dann aber Staatsanwalt
werden sollte, mußte er sich davon lossagen, weil es für ihn und seine Karriere wohl nicht mehr gut war.
Können wir jetzt das Kapitel zu Reichs letzten Worte zu den Geschworenen abschließen?
Ja. Ich sagte ja, es hat mich ganz schön verblüfft, was er da äußerte. Sowas sagt man besser nicht, aber es war typisch Reich,
nicht wahr? Irgendwie schien er dem Prozeßverlauf gar nicht zu folgen, er fand die Leute sympathisch. Er hatte sehr
menschliche Züge, war sehr umgänglich in seiner Art, wie er sich auf einer menschlichen Ebene mit den Leuten
auseinandersetzte. Doch der Prozeß war alles andere als das. Der Prozeß bestand nicht aus menschlichen Wesen, sondern
verfolgte ausschließlich gesetzliche Prinzipien. Nach der zweiten Verhandlung, zu der ersten war Reich ja bekanntlich nicht
erschienen, da begann der Prozeß. Nun, das war ein erster Schritt, sozusagen. Die erste Amtshandlung des Gerichts war die,
als Reich auf die Be- schwerde reagieren sollte und nicht erschien.
Diese Beschwerde betraf das Verbot über den Versand von Orgonakkumulatoren?
Nein, das, meine ich, ist eine ganz andere Geschichte. Sie zitierten Reichs Worte, wonach er eine Krebsheilmethode gefunden
habe. Nicht wahr? Danach habe er den Tumor aufgelöst und die betreffende Person von ihrem Krebsgeschwür in der Leber
geheilt usw. Und darin werden Stellen aus „Der Krebs“ angeführt. Wenn Sie aber einen Satz weiter lesen, wo es um den nach
einer bestimmten Untersuchung verstorbenen Patienten geht, wo Reich schreibt, daß besagter Patient danach nur noch eine
Woche gelebt habe. Das haben die rausgelassen. Zur Beantwortung des Beschwerdeschreibens hätte Reich nicht mal den
wissenschaftlichen Wahrheitsgehalt seiner Arbeit nachzuweisen, sondern lediglich auf die Verlogenheit des Schreibens zu
verweisen brauchen. Es wäre für ihn so einfach gewesen, die Beschwerde der Lächerlichkeit preiszugeben. Doch als er dann
aber nicht darauf reagierte, nicht wahr, reagierten die ihrerseits mit einer neuerlichen Klage. Diese wiederum stellte den Versand
von Orgonakkumulatoren unter Strafe.
Die Bücher wurden aber nicht verboten?
Aber ja ! Die wurden verboten. Er durfte auch keine Bücher verkaufen. Weil die Bücher Reklame machten, nicht wahr. Er
hätte diese Bücher nur dann verkaufen können, wenn da keine Orgonakkumulatoren mehr im Umlauf gewesen wären. Danach
hatte ich die Leute von der FDA ebenfalls gefragt.
Also angenommen, Reich hätte keine Bücher mehr verkauft oder Orgonakkumulatoren verschickt, glauben Sie, dann
hätte das Bücherverbot weiterbestanden?
Bei der Behandlung dieser Frage hielten die sich unglaublich bedeckt und reserviert Sie waren offensichtlich der Ansicht, die
Bücher machten Reklame; ich meine, rechtlich gesehen müßte doch aber, wenn sie dieser Auffassung waren auch ein Produkt,
für das die Bücher angeblich warben, existiert haben. Andernfalls konnten sie sowas nicht einfach behaupten. Sie wanden sich
heraus, indem sie sagten: ‚Naja, kann man´s wissen, ob da nicht doch noch ein paar Orgonakkumulatoren irgendwo im Umlauf
sind; in dem Fall würde das ja zutreffen. Und deshalb meinen wir, daß es für ihn, auch wenn er nicht mehr in diesem Geschäft
drin ist, über das Presseorgan des Orgoninstituts trotzdem ein Problem sein dürfte, weiterhin diese Bücher zu vertreiben, was
nun in der Tat verfassungswidrig ist. „
Was für uns in der heutigen Situation wichtig ist zu wissen ist, ob die Bücher von Reich heute immer noch verboten sind
?
Nein, sind sie nicht., weil heute keiner mehr im Orgonakkumulatorengeschäft ist Zumindest sind es die Leute vom
Amerikanischen College für Orgonomie und um Mrs. Higgins, die Reichs Bücher herausgeben. Sie vertreiben bzw. verleihen
keine Akkumulatoren mehr. Sehen Sie, die Anklage sollte merkwürdigerweise in erster Linie nur ihn persönlich treffen nebst ein
paar bestimmten Leuten, also Reich, Ilse, vielleicht noch Dr. Silvert und die Wilhelm Reich-Stiftung. Ilse lebt noch, macht aber
nicht mehr diese Art von Arbeit; die Wilhelm Reich – Stiftung gibt es nicht mehr und die anderen beiden sind gestorben, d.h. die
Bücher dürfen wieder erscheinen, ohne Einschränkung.
War es der Name «Orgon« weshalb ihnen die Bücher über den Orgon- akkumulator suspekt waren?
Ich würde sagen ja. Weil eigentlich niemand, d.h. die Leute, die dieses Buch herstellen und veröffentlichen, haben nichts mit
dem Vertrieb der Akkumulatoren zu tun. Orgontherapeuten allerdings dürfen das Gerät nicht in ihren Praxen stehen haben bzw.
benutzen, genauso nicht den DOR-Buster, ich glaube, Dr. Baker erzählte mir das. Das wissen Sie sicherlich… Nun, sie setzten
diese Geräte immer mal früher ein, insbesondere den DOR-Buster, und mußten sie hernach entfernen. Aber wenn ich das
richtig verstanden habe, ist es doch so gewesen. Aufgrund des Wortes «Orgon« durften bzw. sind die Bücher ja verboten
worden?
Das bloße Auftauchen des Wortes «Orgon« war demnach der Grund für die Verbrennung der Bücher oder?
Ja. Ja sicher. Und wenn Sie „Der Krebs “ hernehmen, darin ist von der Orgonenergie die Rede; auch in Funktion des
Orgasmus, nämlich am Ende dieses kurzen Kapitels, wo er über die Orgonenergie spricht. In „Die sexuelle Revolution“
hingegen wird sie nicht erwähnt. Wie sieht es mit einigen früheren Werken aus? In „Der Einbruch der Sexualmoral “ steht nichts
davon drin. In der ersten Ausgabe der „Charakteranalyse“ auch nicht.
Wenn später Orgontherapeuten den Begriff „Orgon“ intern anwandten, gab es für die dann keine Probleme?
Ist kein Problem, weil sie keine medizintechnischen Geräte staatsgrenzenüberschreitend vertreiben.
Und sollten heutzutage Orgonakkumulatoren oder Orgondecken auftauchen, wovon lch weiß, daß es sie gibt, so ist das kein
rechtliches Problem für Leute, die die Bücher verkaufen. Sie sind nicht diejenigen, die die Orgonapparate herstellen. Würden
sie diese Geräte mit herstellen, glaube ich, bekämen sie….., wobei ich mir gar nicht so sicher bin, weil doch die eigentliche
Anklage, wie ich schon sagte, sich merkwürdigerweise gegen ihn richtete. Die FDA müßten sozusagen die ganze
Rechtsprozedur wieder von vorn aufrollen und gegen diese neuen Leute erneut Klage erheben. Gegen die Buchverleger haben
sie jedoch keine Chance anzukommen. Nicht wahr, schauen Sie, wer sind denn die Verleger: Farrar, Strauß & Giroux, ein
großer Verlag in den Vereinigten Staaten. Sie werden wohl kaum auf die Idee kommen, Orgonakkumulatoren und -decken
herzustellen und zu vertreiben. Der Regierung sind also die Hände gebunden.
Mit anderen Worten sind der Gebrauch und die Herstellung von orgontechnischen Geräten nun verboten oder nicht?
Ich muß gestehen., daß ich in diesem Zusammenhang etwas nicht verstehe. Es gibt da so eine Art neues Gesetz, ich weiß nicht
mehr, was es war. Ich erinnere mich, Dr. Baker erzählte mir davon. Nach diesem Gesetz war er genötigt, den DOR-Buster aus
seinem Praxisbüro herauszunehmen und künftig darauf zu verzichten. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß das mit der
ursprünglichen Anklage zusammenhängen soll.
Es gibt da noch etwas anderes, das sich jemand hat einfallen lassen, was mir nicht einleuchten will und worum ich mich nie
richtig gekümmert habe. Zum Beispiel was Sie sagten, daß einzelne Leute Akkumulatoren und Decken herstellen, dafür
werben, sowie für verschiedene Zeitschriften und daß die Regierung nichts dagegen unternimmt.
Könnten Sie sich vorstellen, daß es von staatlicher Seite genauso noch geahndet würde, wie zu Reichs Zeiten? Seitens
der Bundesregierung? Von seiten der FDA oder jemand anderem?
Nein, ich denke nicht
Gibt es irgend welche Anzeichen, Versuche? In den 60er Jahren wurden die Bücher ein weiteres Mal verbrannt.
In den 60ern, ein zweites Mal? Sie wurden gleich mehrere Male verbrannt. Die Verbrennung fand in Maine statt. Reich machte
dort ein Feuer. Haben Sie Peter Reichs „Book of Dreams „gelesen. Peter beschreibt es da so plastisch und so bewegend –
Später wurden sie noch einmal verbrannt, diesmal in New York City. Eine Riesenladung schluckte die Verbrennungsanlage.
Dann kam noch Mary Boyd Higgins und vereinbarte, daß die Regierung ihren Keller leerräumte, die dort gelagerten
Bücherbestände mitverbrannte. Sie hatte keine Lust noch länger für die Lagerkosten aufzukommen. Einige Jahre darauf nahmen
Farrar, Strauß & Giroux die Werke in ihr Verlagsprogramm auf. Die Regierung konnte nichts dagegen tun. Man muß auch
bedenken, daß in der Zwischenzeit sich die gesamte politische Lage gewandelt hatte. Denn Reich wurde verfolgt als noch die
McCarthy-Ära herrschte. Während dieser Zeit wurden die Bürger um viele ihrer Rechte beschnitten. Es mutet zudem fast wie
eine Ironie an, daß Reich, wie Sie wissen zum überzeugten Antikommunisten wurde. McCarthy war der geborene
Antikommunist und selbst Reich unterstützte sogar McCarthy bis zu einem bestimmten Grad. Er sah in McCarthys Haltung eine
gewisse Rechtschaffenheit und bemühte sich ständig darum, die Regierung von seiner Einstellung zu überzeugen: „Ich bin kein
Radikaler, ich bin kein Kommunist. Mag sein, daß ich es irgendwann mal war aber das ist vorbei.
Ich denke, Eisenhower ist das Größte, was den Vereinigten Staaten passieren konnte. Rußland ist meiner Meinung nach das
Schlimmste, was der menschlichen Rasse jemals zugestoßen ist.“ Er fühlte sich immer so, als hätte er die Folgen des Kalten
Krieges auszubaden, dachte, die Orgonenergie wäre die Antwort auf den Kalten Krieg. Dachte, die Russen, oh mein Gott, die
Kommunisten hätten sich zu Hauf in die FDA eingeschleust. Letztere bekäme ihre Order von Moskau und sollten seine
Operation zunichte machen, weil sie befürchteten, aus der Orgonenergie könnte eine geheime Waffe entstehen, die dann im
Kalten Krieg aus einer ungünstigen Position heraus von den USA gegen sie verwendet werden konnte…..Und Tatsache ist, daß
Reich selbst der vollkommen irrigen Auffassung anhing, Feinde habe er doch keine. Aber sehr wohl hatte er welche. Die
Amerikanische Medizinische Gesellschaft, die ich vorhin erwähnte oder die Psychiatrische und Psychoanalytische Gesellschaft
u.a.. Was ich noch anmerken wollte, ist das interessante Dilemma, in dem Reich steckte. Daß Reich Ärger bekam und im
Gefängnis landete, lag einerseits an der herrschenden Atmosphäre der McCarthy-Ära, dem Antikommunismus und den
paranoiden Zuständen dieser Zeit; andererseits aber trug er selber diesen amerikanischen Ableger der Paranoia und der
verschärften antikommunistischen Hetze grundlegend mit. Um aber diese andere Frage zu beantworten würde ich meinen, daß
die Regierung aufgrund der veränderten gesamtpolitischen Lage jetzt nicht mehr mit den McCarthy-Methoden der 50er Jahre
zu Werke gehen kann. Sie würden damit nicht mehr durchkommen.
Also wenn ich das richtig verstanden habe, meinen Sie, heute würde sich keiner mehr dafür so interessieren? Was ist
aber aufgrund dieser Rückmeldung, die es da gibt? Auf dieser richterlichen Grundlage war es also bestimmten
Personen untersagt Orgonakkumulatoren zu benutzen oder zu vertreiben?
Ja, bestimmten Leuten..
Das heißt, andere Leute durften?
Das ist anzunehmen, das wurde halt nie überprüft. Reich versuchte, das heraus- bzw. klarzustellen. „Ja“, sagte er vor Gericht
aus, „Orgonakkumulatoren sind während der Laufzeit der Anklage verschickt und verkauft worden- ich hatte aber nichts damit
zu tun. Silvert hat sie vertrieben“
Silvert seinerseits stand auf und sagte:“Ja, ich war’s “ Reich übersah allerdings dabei, daß er das Geld aus diesem Vertrieb
bekam, daß Silvert das im Prinzip für ihn getan hat. Somit müßte das jemand sein, der mit der Anklage und mit Reich und
Reichs Leuten aus dieser Zeit absolut nichts zu tun hatte, auch wenn man es in der Anklage auf ganz bestimmte Leute nur, und
Reich in eigener Person abgesehen hatte.
Ja, denn uns wurde auch hier gesagt daß das, was wir in Deutschland täten, in den USA ausgeschlossen wäre, d.h.
Orgonakkumulatoren bauen,- in aller Offenheit. Was sind denn nun wirklich echte Gefahren, jetzt nicht für uns,
sondern für Leute, die für die Orgonomie arbeiten?
Ah ja, ich verstehe. Ich denke, da sind keine. Tatsache ist, daß Leute orgontechnische medizinische Geräte herstellen und
vertreiben und sogar in unkonventionellen Zeitschriften dafür Werbung machen. Heutzutage würden Leute, vorausgesetzt die
Regierung wäre dann wirklich an einer gerichtlichen Verfolgung interessiert, nicht mehr ins Gefängnis kommen.
Als wir vor zehn oder dreizehn Jahren mit dem Bau von Akkumulatoren anfingen, wußte so gut wie keiner oder nur
wenige über ihre Anwendung Bescheid, z B wie sie funktionieren, wie man sie am besten baut. Wir mußten uns das
entsprechende Wissen erst aneignen und Dr. Hoppe instruierte John Trettin darin, wie man sie baute. So hofften wir,
sie könnten uns was darüber erzählen. In Deutschland wurden sie sogar mit Aluminium gebaut
Man baute sie aus Aluminium?
Ja, Aluminium. Und viel zu groß und zwar nach den ersten Fotos von Reich, die er herausbrachte und wirklich, das
waren solche Riesenkästen. Wir schauten uns die Orgonakkumulatoren von Kelly und Lowen an, die sind echt so klein
wie unsere. Je kleiner sie gebaut werden, desto größer ihr Effekt. Entsprechend den Körpermaßen, dem Körperprofil.
Also weiß man selbst in Amerika viel weniger über den Orgonakkumulator Bescheid, und sogar unter Reichianern.
Viel weniger?
Sie wissen nicht einmal wie er funktioniert und welche Gefahren es dabei gibt. Sie sind einfach nicht in Gebrauch.
Wir haben uns den von Neil Snyder angesehen, der seine Wirkungsweise wissenschaftlich untersuchte und definitive
Ergebnisse dabei erzielte, doch der Akkumulator ist ungünstig konstruiert. Er wirkt langsam und nur schwach.
Sie sollten mein Buch gelesen haben, das so eine Art Funktionsplan enthält. Es kommt direkt vom Orgoninstitut, von der
Wilhelm Reich-Stiftung.
Neill Snyder hatte die Unterlagen jemandem gegeben, der ihn für ihn baute und offensichtlich eine Menge davon
mißverstanden hat. Selbst Boadella, kennen Sie ihn. Er fertigte eine Übersetzung ins Deutsche an, weil, er spricht
Englisch und Deutsch. Ich weiß nicht, ob er die hat machen lassen oder er selbst die gemacht hat, jedenfalls benutzte
er außen Sperrholz, festes Holz für die Außenwände des Orgonakkumulators, das heißt, die Wirkung ist wesentlich
schlechter…
Ich benutze Celotex. Meinen Sie Holz ist nicht so günstig. Ich dachte immer, sie würden Celotex nehmen weil Holz schwerer ist
und zu wuchtig……….
Welches Experiment haben Sie ausprobiert? Die Temperaturmessung? Haben Sie auch jemals den Temperaturmeßversuch
gemacht? Wissen sie darüber etwas? Wissen Sie, als ich mein Buch schrieb ging ich zum Leiter des Bereichs Physik an
unserem College und erzählte ihm etwas über Reich und ich fragte ihn ob er einen Versuch mit einem Orgonakkumulator so
aufbauen könnte, daß wir dessen Innen- und Außentemperatur messen können. Und ich würde unabhängig davon, was dabei
herauskäme die Ergebnisse in mein Buch aufnehmen. Ein Versuch zur vollständigen Beweisführung. Darauf er: am besten wäre
es, wir nehmen einen Orgonakkumulator und eine Box und vergraben es im Erdboden unterhalb der gefrorenen Schichten. Sie
wissen was damit gemeint ist? Die Temperatur ändert sich weil wir achtzehn, neunzehn Zoll tief unter die Erde gehen. Und dann
das Thermoelement anschließen, um einen konstanten Temperaturwert ablesen zu können, vielleicht sogar in einem Diagramm.
Schließlich sagte er: „Wenn dann da tatsächlich eine Differenz auftaucht würde mich das schon beunruhigen.“ „Gut“ sagte ich,
„können wir diesen Versuch aufbauen, hätten Sie was dagegen, wenn wir das hier jetzt mal machen?'“ „Ja“ sagte er, „sicher,
können Sie das.“ Er rief also den Labortechniker herein und der sagte nur: „Oh, Prima.“
Einmal wöchentlich rief ich diesen Labortechniker sechs Monate lang an: „Nun, wie kommen Sie zurecht, gibt es irgendwelche
Schwierigkeiten?“ Nach sechs Monaten sagte ich ihm: „Hören Sie, denken Sie, daß Sie es hinkriegen“, und er sagte mir ganz
offen: “ NEIN !“ Ich sprach dann mit Courtney Baker darüber, weil dieses Experiment nie unter dem Gefrierpunkt durchgeführt
worden ist. „Meinen Sie“, sagte ich, „daß da noch eine Temperaturdifferenz wäre, d.h. ist im Erdboden genug freiwerdendes
Orgon vorhanden?“ Ja, er wüßte das nicht und meinte, daß der Versuch nicht schlecht wäre.-
Hat Courtney den Versuch dann gemacht?
Soweit ich weiß, nein.
Da gibt es ein Problem, nicht wahr? Wie ich gehört habe, kann man elektrischen Strom gar nicht nehmen, weil
nämlich bei der Nutzung des Strommessers selbst Wärme erzeugt wird. Es kann sein, daß dieser zweipolige
Strommesser von sich aus etwas her-vorruft, erzeugt. Und nach Vermutungen erzeugen beide nicht die gleiche Art von
Wärme. Es ist immer noch das Beste mit einem einfachen Thermometer zu messen.
Können wir noch einmal auf Dr. Silvert zurückkommen? Denn er war ja eigentlich nur dem Namen nach in
Deutschland bekannt.
Dr. Silvert ging zusammen mit Reich ins Gefängnis, ein komischer Kerl war das. Ich war ein paarmal bei ihm. Der hat ja so eine
Geburtspraxis gehabt. Bevor er in die Orgontherapie einstieg, war er Gynäkologe und Geburtshelfer. Und in seiner
Geburtspraxis arbeitete er in Richtung Orgonomie. Und er hatte wohl auch einigen Erfolg damit, doch kam er auf so ein paar
seltsame Ideen. Ich erinnere, was Baker über ihn sagte. Dieser Silvert habe ihm mal erzählt, daß Leute mit blauen Augen, ich
weiß nicht was, den Teufel in sich hätten oder sowas in der Art. Ich hab gesehen, er hatte keine blauen Augen, dafür aber
Baker. Jedenfalls meine ich, daß er ein extrem schwieriger Typ war. Einmal, erinnere ich mich, habe ich ihn besucht. Ich wollte
ihn wegen irgend etwas sprechen . Ich wartete also draußen im Wartezimmer, da in seiner Praxis im Westvillage, und dort
stand auch ein Orgonakkumulator. Ich setze mich, während ich wartete, da rein, da kommt er aus seinem Sprechzimmer raus,
sieht mich da drinnen sitzen und war ganz außer sich. Der wollte das nicht, daß ein anderer außer ihm seinen Orgonakkumulator
benutzte. Nicht wahr, ich bekäme einen DOR-Schaden bzw große Probleme mit meiner Gesundheit und ihm würde das auch
schaden. So war er, wirklich. Er übertraf Reich in seiner Art und arbeitete immer mehr nach seinen Methoden und Ansichten.
Zu Anfang galt er als gewöhnlicher Außenseiter. Doch schmeichelte er sich zunehmend bei Reich ein und erwarb dessen
Sympathie. Zum Beispiel war er einer von denen, die Reich in seinen Fehleinschätzungen bestärkte. Damit lancierte er in eine
immer einflußreichere Position innerhalb der Wilhelm Reich-Stiftung und der Orgonbewegung. Er hatte eine Anhängerschaft im
Village , die große Stücke auf ihn hielten und zu ihm in die Therapie gingen. Noch zu der Zeit, als ich bereits an meinem Buch
schrieb, war ich hinter einigen Dingen her, die es über Dr. Silvert zu erfahren gab. Unter anderen sprach ich mit einigen von den
Leuten, die bei ihm in Therapie waren, bzw. mit einer Frau, die seine Lebensgefährtin war. Die waren ziemlich aufgebracht und
fühlten sich sehr schlecht deswegen, daß andere in Orgonomiekreisen Silvert für Reichs Inhaftierung verantwortlich machten.
Wie Sie wissen, hat er sich das Leben genommen. Wußten Sie das? Er beging Selbstmord kurz nach seiner Entlassung aus dem
Gefängnis. Sein Urteil lautete nur auf ein Jahr. Gewöhnlich wird einem laut amerikanischer Gesetzeslage bei guter Führung ein
Drittel der Haftfrist erlassen und derjenige muß sich in Abständen persönlich melden; in seinem Fall, wären das vier Monate
gewesen.
Er wurde aber nicht nach 4 Monaten aus der Haft entlassen, sondern erst nach Reichs Tod. Reich saß etwa acht Monate ein.-
Grund dafür war, daß er im Gefängnis viel Aufhebens machte. Ein paar Unterlagen seines Führungszeugnisses habe ich
gesehen. So bestand er z.B. auf seine Rechte, wollte, daß man seiner Frau die Besuchserlaubnis erteilte. Zudem setzte er getreu
der Ansichten Reichs den Gefängnisbehörden auseinander, wie schädlich und ungesund es sei, Menschen auf sexuelle Kontakte
verzichten zu lassen. Er beharrte auf bestimmte rechtliche Prozeßbedingungen, von denen Reich, absolut keine Ahnung hatte.
Ich denke mir also, daß er sich ziemlich unbeliebt gemacht hatte und sie ihn deshalb nicht eher entließen. Ich sagte bereits, daß
er sich erst nach Reichs Tod das Leben nahm und wohl eine Nachricht hinterlassen haben soll, worin er von einer unheilbaren
Krankheit spricht, die ihn befallen habe. Keiner kann sagen, was für eine Krankheit das war. Einige Leute, darunter Semion
Tropp, die ich noch wenige Tage zuvor, mehrere Male nach seiner Entlassung gesprochen habe, hatten an ihm nie eine
Krankheit festgestellt. Ich habe mich oft gefragt und frage mich immer noch, ob es seine Schuld war oder nicht. Er mag auf die
eine oder andere Weise sich der persönlichen Schuld an Reichs Inhaftierung und Tod bewußt gewesen sein und wurde vielleicht
nicht fertig damit und brachte sich um. Er hatte seine Zulassung als Arzt zurückgeben müssen und durfte nicht mehr als
Mediziner praktizieren. Nachdem er aus dem Gefängnis entlassen war, ging er nach New York City und jobte als Kellner.
Daran muß man sich erst einmal gewöhnen, ich stelle mir das nicht einfach vor. Und ich habe die heikelsten Sachen über diesen
Burschen gehört – Ich weiß nicht, ob Sie wollen, daß ich davon erzähle, weil manches ziemlich gräßlich ist.
Erzählen Sie uns über all das, worüber Sie sprechen möchten.
Gut, dann erzähle ich lhnen diese eine Geschichte. Okay. Meine Frau damals war gerade schwanger. Und beide waren wir in
Orgontherapie und wußten, daß Silvert Geburtshelfer war, diese Praxis hatte, wo er Orgongeburten durchführte, und dachten,
das wäre doch ’ne gute Sache. Aber dann kamen mir allerlei Gerüchte zu Ohren, daß er, nachdem das Neugeborene da ist, die
Eltern nötigt, die Plazenta* zu essen. Plazenta ist Ihnen klar, was das ist?! Oh Mann, und ich wollte mit meiner Frau dahin
gehen. Schließlich wollte ich es von ihm wissen. „Schauen Sie, Dr. Silvert“, sagte ich zu ihm, „ich habe von diesem Gerücht
gehört, ist da was dran?“ Er fragte woher ich das hätte. Ich zähle ein paar Orte auf, wo ich es gehört hatte, und er weigerte sich
darauf zu antworten. „Ich möchte doch nur, das Sie mir sagen, es ist nicht wahr, ich glaube Ihnen…“ Er sagte nichts dazu.
Daraufhin wollte ich von der Person, von der ich es hatte, wissen, was an dem Gerücht dran war, woher er es habe. Ich
telefonierte mit mehreren Leuten, zwei Wochen lang oder so, und fragte sie, wo sie es aufgeschnappt hätten. Und es zeigte sich,
daß der-, der mir das Gerücht zugetragen hatte, es selber in die Welt gesetzt hat. Er war Kellner im Westvillage. Ich schrieb
ihm einen Brief, in dem ich ihm die Leute nannte, mit denen ich gesprochen hatte und die mir bestätigten, er wäre derjenige
gewesen, der das Gerücht von sich aus verbreitet habe. Sein Baby kam in Dr. Silverts Praxis zur Welt. Er schickte mir diese
Nachricht, ich wünschte, ich hätte sie noch. Darin bestätigte er, daß er das Gerücht verbreitet habe.
Soviel ich weiß, wird das praktiziert.
Ja, wird es das? Von wem?
Das kann ich nicht sagen, ich habe es nur gelesen. In einem Artikel von Eva Reich. Sie schrieb darin über bestimmte
Gebärkliniken, die das praktizieren und zwar auf eine humane Art. In welchem Zusammenhang weiß ich nicht mehr,
weshalb ich es jetzt auch nicht wiedergeben kann, aber eine Fotokopie kann ich machen. Es ist eine althergebrachte
Methode.
Ja ja, Tiere tun das auf jeden Fall. Doch die tun es, weil sie durch den Geburtsvorgang geschwächt sind und deshalb nicht auf
Nahrungssuche gehen können, um sich zu stärken. Nicht wahr für sie ist es eine Nahrungsquelle, solange sie sich erholen.
Soweit ich mich erinnere, ein Jahr ist es wohl her, als ich das gelesen habe, soll sie die Muttermilch mit für das
Überleben des Neugeborenen notwendigen Bestandteilen anreichern.
Demnach war das also gar nicht so verkehrt und abgedreht. Nun, der Typ schrieb mir zurück: “ Es tut mir leid, daß ich Dr.
Silvert in Schwierigkeiten gebracht habe, ich hätte das nicht tun sollen. Er zwang uns nicht, die Plazenta zu essen. Ich nahm sie
aber trotzdem, briet und aß sie und sie schmeckte wie Leber, nur eben besser.“ Doch mir scheint, er war nur für Silvert
eingesprungen. Ich bin sicher, daß er es nicht getan hätte, hätte Silvert ihn nicht auf diese Idee gebracht :Schon möglich, daß
Silvert ihn nicht dazu genötigt hatte, aber ihm möglicherweise gesagt, daß das gut wäre. Vielleicht ist es auch tatsächlich nicht so
verkehrt, das was man mir erzählte.
Sie haben doch bestimmt die Sache nach Reichs Tod weiterverfolgt. Was ist aus seinen Mitarbeitern und Anhängern
geworden? Konnten Sie mit ihnen über die damaligen Geschehnisse sprechen?
Ich verstehe. Ja, wie Sie wissen, gab es nach Reichs Tod keine Organisation. Eva Reich war ihr Nachlaßverwalter, wie Sie
vielleicht auch wissen. Reich hatte sie selbst dazu ernannt. Allerdings war Eva eine flatterhafte Person und fühlte sich selbst zu
sehr in die Verantwortung genommen, weshalb sie sich nach jemand Geeigneterem umsah. Dr. Raphael nun war Mary Boyd
Higgins behandelnder Arzt, sie selbst wohlhabend und unabhängig, sie brauchte nicht für ihren Lebensunterhalt zu sorgen,
wodurch sie für ihn bestens geeignet schien, den Nachlaß überantwortet zu bekommen. Eva übertrug somit die
Nachlaßverwaltungsrechte an sie. Schließlich mußte sie später erkennen, was für eine Person, wie ausnehmend Mary Boyd
Higgins wirklich war. Sie betrachtete das Ganze als ihr persönliches Eigentum. Eva versuchte, die Sache rückgängig zu machen
und hatte nun aber keine rechtliche Grundlage mehr dafür.
Gab es bezüglich der Testamentsauslegung einen Prozess oder dgl.?
An die Einzelheiten erinnere ich mich nicht. Aber ich erinnere mich, daß mich Mary Boyd Higgins‘ Anwalt anrief, um mich in
den Zeugenstand zu rufen, wegen einer Sache, an die ich mich nicht mehr erinnere. Ich sagte ihm aber gleich: „Hören Sie,
bemühen Sie sich nicht, bei mir sind Sie da an der falschen Adresse, ich stehe auf Evas Seite“. Dann zitierten sie Baker vor
Gericht, auch einer Sache wegen, die fallengelassen wurde. Ich nehme an Eva hatte erwartet Recht zu bekommen, jedoch hielt
Mary Boyd Higgins die Hand drauf.
Haben Sie den Vertrag eingesehen?
Ich hab ihn nie gesehen.
Hat ihn überhaupt jemand gesehen?
Ich weiß nicht. Ich könnte mir vorstellen, ein paar Leute schon. Damals gab es viel Verbitterung unter den Leuten . Nehmen Sie
Reichs letzte Lebensgefährtin, wie hieß sie doch gleich die, die in Washington D.C. lebte. Aurora Karrer. In Washington D.C.
sitzt ein Rechtsanwalt, der kennt sie. Turner heißt er mit Nachnamen. Haben Sie den Namen mal gehört. Turner. Von einem
Rechtsanwalt dieses Namens? Verflucht noch mal, was war doch gleich sein Vorname? Von ihm stammt das Buch „Das
Chemikalienfestmahl (the chemical feast). Darin enthüllt er sämtliche chemischen Zusätze in unseren Nahrungsmitteln, wie
schädlich die in Wirklichkeit sind. Er arbeitete für Nader. Ich weiß nicht, ob Sie Ralph Nader kennen, den Anwalt des
Verbraucherverbandes in den Vereinigten Staaten. Für diesen Nader arbeitete er. Er war desweiteren in Therapie. Warum
fragen Sie eigentlich nicht Jim Turner. Er ist mit Mary Boyd Higgins und dieser Gruppe liiert. Vielleicht fragen Sie ihn einfach,
denn er war der Rechtsanwalt von Aurora Karrer. Und wenn Sie Interesse haben, mit ihr Kontakt aufzunehmen, dann erfahren
Sie bestimmt über ihn, wo sie zu finden ist. Als ich mein Buch schrieb, dachte er nicht daran, mich aufzusuchen und sie wollte
sowieso niemanden sehen. Vielleicht ist sie mit den Jahren besonnener geworden und wäre jetzt eher zu einem Gespräch bereit.
Hat sie gesagt warum?
Nein, hat sie nicht. Sie besitzt aber eine Menge von Reichs Unterlagen. Ja, wirklich. Reich schrieb z.B. Gedichte im Gefängnis.
Gebete nannten die sich, irgendwas in Form von Gebeten, mir ist ihr Titel entfallen. Sie hat sich all diese Dinge unter den Nagel
gerissen. Die sollte sie eigentlich dem Nachlaß Reichs zuleiten, was sie ablehnte. Ich habe zwei von Bakers Briefen an sie,
worin er ihre Haltung kritisiert, ihre Verbitterung beklagt und meint, sie führe sich auf wie ein kleines Kind, ja richtig kindisch
wäre sie. Sie blieb aber bei ihrer Einstellung, indem sie sagte: „Ich habe keine Dokumente, und wenn ich welche hätte, würde
ich sie behalten. Wenn ich wollte, könnte ich untertauchen und niemand wüßte, wo er mich suchen sollte“. Doch sie hat diese
ganzen Unterlagen. Ich weiß gar nicht, was sie damit will. Jim Turner selber hat mir glaube ich gesagt, daß sie sie hat und
deshalb versuchte ich an sie heranzukommen. Da ist noch ein anderes Buch von Reich aus der Zeit im Gefängnis, CREATION
heißt es, was nie aufgefunden wurde. Jedoch kürzlich erst führte mich eine Spur zu jemandem, der es aus dem Gefängnis
mitgenommen haben könnte. Ich will diesen Jemand ausfindig machen. Das wär‘ doch ein wahrer Fund.
Das wäre einfach fabelhaft. Bestimmt haben sie von William Washington gehört?
Oh ja. Washington ist gefunden worden.
Wir haben gehört, daß er in Rangeley auftauchte und wieder verschwand, nachdem er dort etwas unsanft behandelt
worden ist.
Hat man ihn hart rangenommen auf Orgonon? Das ist mir neu. Das tut mir leid. Da muß ich mal Joel fragen. Joel hat mit
Washington gesprochen.
Haben sie Washingtons Adresse?
Natürlich nicht, aber Joel hat sie. Joel, wenn Sie mit ihm sprechen wollen, er kann Ihnen bestimmt auch Washingtons Adresse
geben. Washington bestritt allerdings, daß er den Motor hat. Sie versuchten an die Motoren zu kommen, die er aber nicht hat,
an vieles erinnerte er sich nicht, aber sie hofften, von ihm die Informationen zu bekommen, anhand derer sie den Motor
nachbauen können
Hatte er daran gearbeitet?
Oh ja. Deswegen war er wohl überhaupt mit den beiden Motoren, durchgebrannt.
Da gibt es doch das Gerücht…
Nein, nein, das ist kein Gerücht, das stimmt wirklich, zwei Motoren hat er wirklich mitgenommen. Aber meines Erachtens nicht,
weil er unbedingt die Motoren haben wollte. Ich denke, er war nur rein zufällig an sie gekommen. Und ich glaube, daß er für
Reich arbeitete, unter scheinbaren Vorwänden. Schließlich geriet die Sache an einen Punkt, wo er viel Geld brauchte, und
Reich vertrauensselig wie immer, schickte ihm das Geld. William Washington hatte jedoch keine Skrupel, das Geld für völlig
andere Dinge zu veruntreuen. Als man ihn schließlich zur Rede stellte und Resultate von ihm haben wollte, konnte er keine
vorweisen und brach jeglichen Kontakt zum Orgoninstitut wie auch zu Reich ab. Reich behauptete sogar, William Washington
wäre verschwunden. Nach seiner Theorie habe er Verbindung zu den Kommunisten gehabt und sei von denen gekidnappt
worden. In seinem späteren Buch „Contact with space“ ersann Reich eine mögliche Entführung Washingtons durch die
UFO-Leute. Das ist natürlich lachhaft. Denn Reich wußte, wo er war. Das Buch „Conspiracy“ , das Reich zusammenstellte,
belegt das. Haben Sie es schon mal gesehen oder davon gehört?
Ja, das ist ein echtes Dokument. Ein ganzer Band, in dem all diese Dinge belegt, dokumentiert sind. Ein ganzer Abschnitt darin
beschäftigt sich mit William Washington, U.a. enthält es die Aufzeichnung eines Telefongesprächs Reichs mit William
Washington in Chicago. Und Reich war so naiv zu fragen, wo er gesteckt habe. Ob er nicht mit ihm reden könne. Nein, das
könne er nicht, sagte der. ‚Halten sie dich als Geisel gefangen?“ „Ja, die halten mich als Geisel fest .“ Reich fütterte ihn mit all
den Informationen, die er hören wollte. Myron sprach auch mit ihm, und diese aufgezeichneten Telefonate sind mit enthalten in
dem Buch „Conspiracy“ . Er war nicht verschwunden, sie wußten, wo er sich aufhielt und warteten auf seine Rückkehr. Falls er
verschwunden wäre, hätte er es nicht veröffentlicht. Aber er verschwand nicht aus der Gegend, sondern ließ sich einfach nicht
mehr dort blicken. Sie schrieben ihm danach eine Reihe Briefe, auf die er nie antwortete.
Dieses Buch Conspiracy, ist es erschienen oder lag es nur als Manuskript vor?
Ja, als ein Manuskript. Ich konnte mir eine Xeroxkopie davon besorgen. Es sind eine Menge Dokumente, Briefe von Reich,
Briefe von seinen Anwälten an die FDA, Schriftstücke von der FDA an ihn, das ist alles chronologisch geordnet und wie gesagt
dieser ganze Abschnitt zu William Washington. Von Reich „Conspiracy“, also Verschwörung genannt. Im Grunde genommen
liefert es keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Verschwörung, doch war Reich davon überzeugt. Und bei der
Gerichtsverhandlung brachte er diese angebliche Verschwörungssache als Beweisstück vor.
Sehen Sie, jahrzehntelang versuchte man seiner habhaft zu werden, bis schließlich einer auf die Idee hatte, im
Quellensicherungsdienst nachzufragen, die Washingtons in Chicago aufzusuchen, und ihm so auf die Spur kam. Zwei von den
Leuten suchten ihn dort auf, um mit ihm zu sprechen. Washington war völlig desinteressiert und wie ich glaube, ein bißchen
geschmeichelt, daß er plötzlich so starkes Interesse erweckte und man ihn beachtete. Wohlmöglich war das der Grund seines
Besuches in Orgonon, doch war er kein ehrlicher, aufrichtiger Mensch. Das Buch „Conspiracy “ zeigt eine Fotografie von ihm:
schwarz, klein, wohl keine anderthalb Meter, doch soll er ein mathematisches Genie gewesen sein. Reich lernte ihn durch
Myron kennen. Ja?! Ja. Es war Myrons Mutter… Sie erinnern sich, Myron schreibt viel über seine Mutter. Sie hatte eine
seltsame Theorie von so einer Art sexueller Energie und dann entdeckte sie Reich für sich, erzählte Myron über Reich usw. usf.
Er erzählte Reich, als er ihn das erste Mal aufsuchte, daß er auf Empfehlung seiner Mutter gekommen sei. Das stimmte. Reich
war gerührt. Und Myron schreibt da über eine bestimmte Sache in Conspiracy. Er dachte an die Möglichkeit, daß Washington
über ihn vorsätzlich dort eingeschleust worden sein könnte, um Reichs Arbeit zu untergraben. Nun, das ist dieses gewisse
Etwas, nicht wahr, was Reich von seinen Mitarbeitern verlangte. Wissen sie genug über die Moskauer Prozesse, wo es darum
ging, daß alte Bolschewiki angesetzt waren, Gift in alle Welt zu streuen. Zu den Faschisten hatten sie Verbindung, den
Kommunismus unterwanderten sie usw. Dieselbe Angelegenheit.
Eine weitere Frage, die mich noch interessiert. Wir haben von Dr. Herskowitz gehört damals, daß Dr. Cott…..
Oh ja, Dr. Cott haben sie mit ihm gesprochen? Nein? Er ist ausgestiegen aus der Orgontherapie. Ja. Er war schockiert von Dr.
Silvert, glaube ich . Er macht heute Vitamintherapie.
Herskowitz erzählte uns, daß er von Silvert schockiert war.
Ja, wirklich? Silvert praktizierte doch diese ziemlich unbequeme Sexualtherapie.
Können sie dazu etwas konkreter werden?
Nein, er hatte sich dazu auch nie geäußert. Sehr unbequem –
Sie meinen nicht zufällig unkonventionell, ungewöhnlich? ….
Aber Dr. Cott sagte für die FDA gegen Reich aus.
Da gibt es einen Typen, mit Namen Neithon Hale, ich weiß nicht, haben Sie mal von ihm gehört? Als einer der ersten
Reichianer kam er zur FDA und hatte dort Einsicht in Reichs Akten. Er ist außerdem Patient von Cott gewesen und konnte
Cotts Zeugenaussage gegen Reich einsehen, und dieses Papier hat er aus den Akten entfernt. Er erzählte mir das, doch meine
ich, er hat das nie begriffen. Er war Cott so zugetan, daß er glaubte, Cott habe ihm derart geholfen, daß er sich hernach nicht
diesen Ruf einhandeln sollte. Doch sagte Cott dann gegen Reich aus und meinte, der wäre ja verrückt gewesen usw. usf..
Er hat doch aber mit Reich zusammengearbeitet? Wußten die anderen Therapeuten davon?
Von dieser Zeugenaussage? Ich denke nicht. Weil ich denke, er machte diese Aussage nach seinem Weggang. Genau weiß ich
gar nicht, wann er wegging. Ich meine aber, sie wußten nichts davon, weil sich die einzige Aufzeichnung davon in den
FDA-Akten befand und Neithon Hale der erste Reichianer war, der diese Akten einsehen konnte. Er hat sie herausgenommen.
Wir haben von Dr. Herskowitz gehört, daß Dr. Cott ziemlich von Dr. Silvert schockiert war, daß das mit ein Grund
war, Reich verlassen zu haben.
War das ein Grund für Cott, Reich zu verlassen, weil er von Silverts Praktiken entsetzt war? Also vorstellen kann ich mir das.
Etliche von den Ärzten waren schockiert und beschwerten sich über Silvert. Aber selbst zu Reichs Zeiten, nicht wahr, Reich
nahm das alles ernst, weil Silvert so vieles von seinen realitätsfernen Vorstellungen und Fehleinschätzungen mit unterstützte.
Ich wollte eine Frage in dem Zusammenhang stellen. Dr. Cott, Dr. Raphael und Dr. Baker- waren doch alle zusammen
in einem Krankenhaus tätig, bevor sie mit Reich in Berührung kamen.
Die alle kamen von ein und demselben Krankenhaus genau. Aus der- Nervenklinik von New Jersey. Baker und Dr. Raphael
waren ja eigentlich befreundet. Dr. Cott und Dr. Raphael waren befreundet. Sie waren eng befreundet.
Wie kam es dann zum Bruch?
Nicht wahr, zum Teil wohl daher daß Raphael mit Higgins liiert war. Jedenfalls standen sie sich näher als bloß Therapeut und
Patient. Und Stück für Stück drifteten die beiden, Baker und Raphael auseinander. Baker schrieb dieses Buch „Meine
Lebensjahre mit Reich.“ Als Buch ist es nie erschienen, jedoch wurden die Kapitel daraus auszugsweise im Journal of
Orgonomy veröffentlicht. Baker spricht dabei über sein Verhältnis zu Raphael, wie eng es war und was dann geschah. Ich
denke, daß es unvermeidlich war und zwangsläufig so kommen mußte, nicht wahr? Denn zu Reichs Lebzeiten war dessen
moralische Autorität so stark, daß etwaige Meinungsverschiedenheiten untereinander dadurch übertüncht wurden. Nach dessen
Ableben allerdings war da keiner mehr, der diese führende Position einnahm, auch wenn er gekonnt hätte. Baker hätte zwar
gekonnt, war aber eher ein ruhiger, zurückhaltender Typ und lehnte ab. Ca. vier, fünf Jahre gingen ins Land, nachdem Reich
gestorben war, als Baker schließlich die amerikanische Orgonomie -Vertriebsgesellschaft, American College of Orgonomy
gründete und die Zeitschrift für Orgonomie, Journal of Orgonomy herauszugeben begann. In der Zwischenzeit waren noch
andere Dinge im Gange in deren Verlauf Raphael eben von Mary Boyd Higgins immer stärker mit der Verwaltung des
Reichschen Vermögensnachlasses betraut wurde.- Der beiden Differenzen wuchsen sich schließlich zur Feindschaft aus. Baker
hat ein Buch geschrieben, nicht wahr „Man in the Trap“ ( Der Mensch in der Falle) Raphael reagierte darauf mit einem Buch,
daß er „Wilhelm Reich – Unverstanden und mißverstanden “ nannte oder so ähnlich. Raphael übte damit Kritik an Bakers Buch.
Kennen Sie die beiden ?
Baker kenne ich, ich war bei ihm in der Therapie. Ihn kenne ich viel besser. Raphael bin ich dagegen nur einige Male ganz kurz
begegnet. Ihn kenne ich nicht so gut.
Können sie uns etwas über Baker erzählen ?.. Wir können ihn ja nicht mehr interviewen. So können sie uns vielleicht
erzählen, was er für ein Mensch er war. Wir haben uns mit seinem Sohn Courtney Baker unterhalten, doch er wollte
über seinen Vater nicht viel sagen. Die beiden verstanden sich wohl nicht so gut, und auch die anderen Leute hatten
nicht allzuviel über ihn zu sagen. Blasband verweigerte die Aussage. Blasband wollte nichts erzählen.
Oh ja, ist das wahr?
Blasband hat wirklich ganz kurz nur und sehr dezent über Orgonomie gesprochen.
Ich verstehe, er wollte sich nicht über die Leute auslassen? Wie ich schon sagte, Baker war kein so energiegeladener Mensch,
nahm dafür aber seine Arbeit sehr ernst, und er hatte unwahrscheinliche Augen. Wirklich unglaublich… Sie schauen in seine
Augen und fühlen sich wie benommen, in solchen Augen fühlen sie sich ganz verloren. Er ist aber um ’82 herum gestorben und
mir scheint, Courtney und seine Mannen stiegen aus dem Zeitschriftenprojekt, dem American College of Orgonomy aus, wohl
vier, fünf Jahre, bevor Baker starb. Mit einiger Berechtigung glaube ich, wollten sie, daß Baker von seinem Chefposten beim
American College of Orgonomy zurücktrat, worauf er sich wiederum nicht einlassen wollte. Jedoch in den letzten Jahren seines
Lebens brachte er ihnen keinen großen Nutzen mehr. Er fuhr zwar mit dem Schreiben von Artikeln, die auch ganz interessant
waren, fort, als Therapeut aber war ihm die Energie ausgegangen. Dafür war er ein sehr toleranter Mensch. Viel
aufgeschlossener als die anderen Orgonomisten. Im Journal of Orgonomie war ein Artikel zu der ganzen Angelegenheit, den
kommunistischen Verschwörungsakt, was ich nie für bare Münze nehmen konnte. Der, der ihn verfaßt hatte, sprach von drei
Dingen, die angeblich als Beweise für eine Verschwörung taugten. Die Einsteinaffäre, der Weggang seines Assistenten Infeld.
William Washingtons Verschwinden und noch eine dritte Sache, ich hab vergessen, was es war.
Ich wandte mich also mit einem Brief an die Zeitschrift. Darin teilte ich ihnen u.a. mit, daß es nicht wahr sei. William Washington
sei aus dem und dem Grund verschwunden. Er war mit Reich in Kontakt und jeder auf Orgonon wußte genau, wo er sich
aufhielt. Dann diese zweite Sache mit Einstein. Ich telefonierte mit Einsteins Sekretär. Und es stellte sich heraus, daß Infeld bis
einige Zeit nach dem Kontakt mit Reich nicht dort aufgekreuzt war. Es war 1940 – wann war das, ’41 oder ’39? – als sich
Reich mit Einstein traf und diesen Versuch aufbaute. Das ist nicht länger ein Indiz für eine Verschwörung. Ja, und diese dritte
Sache, ich weiß nicht mehr, was es war. Auch Lewis war ganz schön wütend darüber. Sie wollte nicht damit an die
Öffentlichkeit. Ich sprach also mit Baker, er solle diese Fakten anführen. Das seien die Fakten, die wahren Tatsachen. Baker
willigte schließlich ein, die Sachen zu veröffentlichen. Und warum Lewis Wywell wegging, geht u. a. auf solcherart Vorgänge
zurück. Sie war in ihrer ideologischen Überzeugung strikt dagegen, daß jemand von der offiziellen Linie absprang, aus welchen
Gründen auch immer. Das ist eine von den netten Seiten Bakers, daß eiserne Konsequenz nicht so seine Sache war. Er konnte
mit der Wahrheit umgehen. Und er hat sicherlich mehr von einem echten Reichianer, das ist es, was Reich wollte, nicht wahr. Er
berichtete von seinen Mißerfolgen wie von seinen Erfolgen, er gab Unsicherheiten zu. Wissen Sie die anderen, die es betrifft,
wollen das Ganze zur Ideologie erheben. Wie das Parteiprogramm einer kommunistischen Partei. Baker hatte nicht diese starre
Ausrichtung, was ihn sympathisch machte. Der Artikel wurde also veröffentlicht und ich bekam einen Anruf von James De Meo
nach dessen Erscheinen, wie gesagt, und er glaube auch nicht an eine kommunistische Verschwörung. Ich schätze, nach
Aussage dieses Briefes im Journal of Orgonomy, sah sich DeMeo außerstande zu behaupten, daß es eine kommunistische
Verschwörung gegeben habe und sie mit neuen Fakten aufwarteten. Beide entschieden, daß derartige Fakten nicht als Indizien
für irgendeine kommunistische Verschwörung in Frage kämen.
Dr. Baker war überzeugter Antikommunist, wie ich weiß.
Aber ja. Die ganzen Leute beim Journal of Orgonomy waren Überaus antikommunistisch, antiliberal eingestellte Leute. Sehr
konservativ.. Sie verwanden viel Geld auf das Therapieren über 100, 120, 125 $ je Sitzung. Und ein Teil ihrer Ideologie hilft
ihnen diese Sache zu rechtfertigen
Würde Sie dann sagen, daß Dr. Baker politisch rechts war, in dem Sinne oder eigentlich nur konservativ? War er im
guten Sinne, wie Reich das nannte, konservativ oder ge- hörte er zum harten rechten Flügel?
Ich denke, er stand ziemlich weit rechts, allerdings gleichermaßen rechts, wie auch Reich zu dieser Gesinnung gekommen war.
Glauben Sie nicht, daß er wegen Reich eine rechte Auffassung vertrat oder?
Ja natürlich denke ich, es ist wegen Reich.
Haben Sie mal Sobey kennengelernt ?
Oh, ja.
Weil, wir haben diese Geschichte von Sobey gehört. Er war eher Marxist, er gehörte mehr zu den Linken.
Ja wirklich? Aber wann war er denn Marxist?
Zu Reichs Zeiten, als Reich es auch war.
Und was war dann? Schwenkte er nach rechts über?
Reich sagte zu ihm, daß er immer noch Marxist sei. „Ich bin nach wie vor Marxist und sie sollten das nicht vergessen,“
Ah, ja, ich verstehe. Das glaube ich gern. Doch meinte Reich etwas ganz Spezielles damit.
Richtig.
Er meinte damit nicht, daß er Kommunist sei. Doch, denke ich, Marxist war er und ist es immer geblieben, und zwar in dem
Sinne, wie Marx eben mit wissenschaftlichen Mitteln die Welt zu verändern meinte. Reich hatte das von Marx, zweifellos.
Nämlich die Vorstellung die menschliche Existenz könne mit den Mitteln der Wissenschaft qualitativ verändert werden.
Das ist für uns eine ganz persönliche Erfahrung, die wir auch in Amerika gemacht haben, daß wir nicht über die
Grundlagen der marxistischen Lehre – etwa den dialektischen und historischen Materialismus sprechen können, ohne
sofort mit dem Kommunismus in Verbindung gebracht zu werden.
Wie ist nun Dr. Baker unter diesem Gesichtspunkt einzuschätzen? Sie wissen doch. Reich war seinerzeit Kommunist
und Marxist.
Nur ein ehemaliger Kommunist, kann den Kommunismus wirklich verstehen. Und wie ist es mit Baker? Nein, er war nie
Kommunist.
Aber er stellte diesen Kommunismus doch in Frage.
Ja, natürlich, aber diskutierte er doch aus einer schon immer konservativen Position heraus, während hingegen Reich zu seiner
konservativen Einstellung erst nach seinen Erfahrungen mit den Linken gelangt war. Seine marxistische Gesinnung hatte er nie
ganz aufgegeben, nicht wahr? Ich wollte eben noch was anderes sagen. Seine ganze Auffassung vom orgonomischen
Funktionalismus ist tatsächlich eine Form dialektischer Denkart. Reich, nicht wahr, ist dialektischer Materialist. Sie haben die
dialektische Wechselwirkung der Gegensätze, was Reich die gleichzeitige Identität und Antithese nannte. Nicht wahr? Im
Grunde hatte er die dialektischen Grundsätze übernommen.., er sah das Ganze nur in einem etwas anderen Rahmen. Aber es ist
im Grunde das gleiche dialektische Denken.
Ich möchte noch mal die Frage stellen. Das ist so schwierig. Also wenn Reich in dem Sinne von seinen Ansichten her
nicht links war, kann man dann sagen, daß Baker von seinen Aussagen auch nicht rechts war?
Baker hatte in dem Sinne keine politische Vergangenheit. Baker hatte mit Politik nie etwas zu tun. Mit Sicherheit war er nicht in
radikale politische Gruppierungen verwickelt. Er war schon immer Arzt- Also mehr eine Haltung, die er von Reich übernommen
hat.
Habe ich das richtig verstanden? War seine Familie schon konservativ?
Ja, er entstammt einer wohlsituierten Familie. Über seine Familie hat er wenig geschrieben. Das waren altmodische, bibeltreue
gewöhnliche Konservative, anständige Leute. Das waren nette Leute, wie es scheint Sie hingen schon irgendwelchen
abweichenden Ideen an. So erzählte er mir einmal, von seinen Eltern und Großeltern, da hätte jemand im Bürgerkrieg gekämpft
oder wäre gegen die Sklaverei gewesen. Also eine Art aus dem Rahmen fallen in Bakers Lebensgeschichte, aber verwickelt in
radikale Politik war er mit Sicherheit nie. Ich habe oft daran gedacht, ob man Reich nicht in geistige Nähe mit Trotzky rücken
könnte. Sind Sie mit Trotzkis Radikalismus vertraut? Sie waren übrigens beide (Trotzki und Reich) zur selben Zeit in Oslo, sind
sich aber nie begegnet, welch Schande, nicht wahr. Das hätte sicher ein höchst interessanter Gedankenaustausch zwischen
Trotzki und Reich werden können. Ich weiß allerdings nicht, ob Reich Trotzki überhaupt erwähnt. Trotzkis Kritik an Stalin und
der Sowjetunion, wenn auch aus rein politischer, jenseits aller psychologischer Sicht, erinnert doch sehr an Reichs kritische
Haltung. Im übrigen gingen viele von ehemaligen Trotzkianhänger in die Orgontherapie. Ja und ich selber war früher auch
Trotzkist. Ich kenne noch andere ehemalige Trotzkisten, die dann in die Orgontherapie gegangen sind. Die Stalinisten gingen in
die Psychoanalyse, die Trotzkisten in die Orgontherapie. Ich traf Trotzkis Frau in Mexiko.
Es war gleich nach dem Krieg, als ich 1946 aus der Kriegsflotte entlassen wurde, daß ich nach Mexiko ging. Und es gelang
mir, mit einem amerikanischen Trotzkisten zusammenzutreffen. Es verschlug mich also zu einem Trotzkisten nach Ouiro con
Fortes. Ich sprach zudem ein wenig Russisch, weil ich aus Rußland stamme, und konnte mich mit ihr unterhalten. Und sie bot
mir prompt einen Job als ihr Fahrer an, und ich habe ihr das Angebot ausgeschlagen, was ich ewig in meinem Leben bereue,
daß ich ihn nicht angenommen habe. Das wäre eine phantastische Erfahrung gewesen. Jetzt jedoch ergibt das alles kaum noch
einen Sinn, wo Trotzki tot ist und ich letztes Jahr in Rußland war und gesehen habe, wie die Leute über Trotzki reden,- man
kann jetzt in Rußland über Trotzki reden. Unsere Reiseleiter meinten, daß Trotzki im Bürgerkrieg gekämpft habe. Ich sagte:
„Was meinen Sie mit Bürgerkrieg gekämpft‘? Er ist der Begründer der Roten Armee“……….
Ist es demnach immer noch ein Problem als Amerikaner nach Rußland zu kommen, Kontakt zu den Einheimischen
aufzunehmen, wie das früher war?
Nein, nicht mehr. Ich traf Leute auf der Straße, die in die Vereinigten Staaten kommen wollten. Ich hatte allerdings den
Eindruck, je weiter weg man von Moskau kam, desto freier bewegten sich die Leute und waren zu Gesprächen bereit. In
Moskau ist man immer noch ein bißchen vorsichtig, und trotzdem sprachen wir mit Leuten auf der Straße und massig
Amerikaner haben wir gesehen.
Und wie ist es mit den Amerikanern? Was sagen sie, wenn sie hören, daß Sie in Rußland waren?
Oh, das ist kein Problem mehr, besonders seit Gorbatschow nicht mehr. Seit Rußland nicht mehr unser Erzfeind ist. Die Ära
des Kalten Krieges ist so gut wie vorbei. Es ist unglaublich was zur Zeit in China ab geht (Greenfield meint die
Studentenaufstände). Und in Rußland. Meiner Meinung nach gerät die kommunistische Idee ganz schön in Mißkredit. Es ist
kaum noch etwas davon übriggeblieben. Es kursierte seinerzeit mal so ein Witz: Kennen Sie den längsten Weg zum
Kapitalismus? -Der Kommunismus!
Was ich noch gern fragen würde ist, im Zusammenhang mit Dr. Baker und Dr. Raphael, über dieses Buch „Der Mensch
in der Falle.“ Waren das die politischen Teile darin, die zur Auseinandersetzung geführt haben, oder die
therapeutischen? Diese beiden Bücher von Baker und Raphael, die Sie erwähnten, gab es in der Sache Baker und
Raphael politische Diskrepanzen, oder waren therapeutische Unstimmigkeiten entscheidend?
Nein, nein, soweit ich mich erinnere, war das, was Raphael an Baker auszusetzen hatte, weit entfernt von politischen Querelen.
Es hatte zu tun mit den Auslegungen einiger von Reichs therapeutischen Ansichten, wonach Baker einige von Reichs Gedanken
als seine eigenen ausgegeben haben soll. Baker blieb in der Präsentation des Materials nicht immer ehrlich und wollte den
Eindruck erwecken, als sei er auf der Grundlage eigener klinischer Erfahrungswerte zu bestimmten Schlußfolgerungen
vorgedrungen, wo diese in Wirklichkeit aber von Reich stammten.
Und Dr. Raphael, was ist das für ein Mensch?
Ich bin ihm nur kurz begegnet, habe aber gehört, daß er ein kluger Kopf ist, einer der besten unter den Orgontherapeuten.
Einige waren darunter, die nicht sehr intellektuell waren, nicht wahr.
Wir hatten bei dem Telefonat mit ihm eher den Eindruck, das er sehr frustriert und verbittert ist.
Verbittert, er?
Na, weil er immer behauptete, die Leuten kämen zu ihm, weil sie etwas von ihm haben wollten.
Ich hatte das Gefühl, daß er auf den Gedanken verfallen war, das die einzige rechtmäßige Organisation, die Reich
vertreten und zugleich gerecht werden könnte, das Reich Museum wäre. Mrs. Higgins tue jederzeit alles für Reich und
gebe ihr ganzes Leben dafür hin, das sei mehr als sie tun könne. Sie werde ganz krank davon, sie stecke so in Arbeit
und keiner habe ein Auge dafür und unterstütze sie dabei .
Aha, das ist interessant, mir ist nie aufgefallen, daß er sich so fühlt.
Ich erzählte ihm, daß wir mit James DeMeo zusammenarbeiten **, und er antwortete,“…ihn interessiere die Arbeit von
irgendeinem DeMeo oder oder sonstwem nicht…“
Ja, genauso verhalten sich auch die Leute vom American College of Orgonomy. Ich denke schon, vielleicht nicht ganz so, wie
wir das jetzt sehen, aber starr und verbiestert sind die alle irgendwie. Nicht wahr, sie sagen rein gefühlsmäßig, hätten sie allein
ein Recht sich über Reich zu äußern. Als ich zu meinem Buch recherchierte, nicht wahr, hatte ich William Moise um eine
Unterredung gebeten, die er mir glattweg verweigerte. Er sagte, der Prozeß sei eine Farce gewesen und habe die Sachlage
entstellt, wie seine späteren eindringlichen Untersuchungen ergeben hätten.
Das war der Mann von Eva Reich, nicht?
Ja ihr Ehemann. Und dann auch William Steig, haben Sie mal von dem gehört? Nicht wahr, William Steig war zu der Zeit bei
Reich. Haben Sie sein Buch „Listen litte man“ (Hör zu kleiner Mann ) gelesen. William Steig hat es illustriert. Er ist ein recht
bekannter Künstler, der für das New York Magazine Karikaturen zeichnete. Ja, er stand Reich sehr nahe und könnte alle
möglichen wichtigen Informationen über die letzten Paar Monate vor Reichs Inhaftierung geben, aber ist nicht zu einem
Gespräch bereit. Er hat es abgelehnt, mit mir zu sprechen. Dieselbe Sache, nicht wahr, sie befürchten daß, wenn sie etwas
darüber preisgeben, daß es irgendwie verzerrt und entstellt wird und so bleiben sie lieber drauf sitzen. Er ist so alt inzwischen,
daß er möglicherweise bald sterben w i r d ….
Und sie haben diese Leute auch nie mehr gesprochen, später, also Jahre danach?
Nein. Es sind der Dinge zu viele die da zu besprechen wären. Ich habe auch festgestellt, daß sich mit denen (die nicht
persönlich invulviert waren) viel einfacher über all diese Dinge, wie sie geschehen sind, reden läßt, als mit denen, die diese
Geschichten selbst mit- erlebt haben. Wissen Sie, ich wäre am liebsten auch dabei gewesen, doch sie haben gewissermaßen ein
persönliches Interesse daran und ich komme nicht dahinter, worin ihr Interesse besteht. Möglicherweise fühlen sie sich sogar mit
Schuld an dem, was passierte und fühlen sich daher Reich verpflichtet, an seinen abschließenden Gedanken und Empfindungen
festzuhalten, nicht wahr, so absolut und starrsinnig, so jemand wie Lewis Wywell, Raphael und andere.
Schreibt Lewis ein Buch?
Nein, sie gibt eine Zeitschrift heraus.
Eine Zeitschrift nur?
Soviel ich weiß ja, aber vielleicht schreibt sie ein Buch .
Lewis hat doch am Telefon gesagt, das sie alles in ihr Buch geschrieben hätte und nichts darüber hinaus zu sagen
hätte.
Zum Beispiel erinnere ich mich an Eva Reich, wie sie einmal sagte, sie wolle ein Buch schreiben, nur hatte sie Mühe sich
vorzutasten und sich damit vertraut zu machen. Ich schrieb ihr eine Unmenge Briefe und beteuerte ihr, daß ich als Autor gern
mit ihr zusammenarbeiten würde. Weiß Gott, sie hätte ein fabelhaftes Buch schreiben können. Ich meine, sie hat ja all dieses
phantastische Material, ich hab ihr also geschrieben, ich wäre froh, mit ihr gemeinsam dieses Buch zu schreiben. Sie hatte aber
leider kein Interesse. Zumindest damals hatte sie kein Interesse daran, dieses Buch zu schreiben.
Sie ist eine bemerkenswerte Frau, ein bißchen exzentrisch, verrückt, sonderbar. Das Wort flaky – schwer zu übersetzen –
kennen Sie doch. – Man weiß bei ihr vorher nie genau, was sie jetzt wieder für komische Dinge sagt, manchmal ist sie wie weg,
ganz woanders, nicht wahr, aber ein phantastischer Mensch ist sie. Ich habe sie einmal bei einer ihrer Vorlesungen erlebt, ich
erinnere mich gut. Das war an der New Yorker Universität. Und mitten in der Vorlesung hält sie plötzlich an, geht auf einen
jungen Mann zu, dessen Blick ihr wohl durch und durch ging, vorn in der ersten Reihe und sagt zu ihm: „Entschuldigen Sie, aber
würde es Ihnen was ausmachen, wenn Sie sich nach hinten setzen, ich kann nicht ertragen, wie sie mich anstarren?“. Und ich
habe seine Augen gesehen, wie er bei mir vorbeiging. Der Mann hatte wirklich was Manisches, was von einem Verrückten.
Seine Augen brannten, und ihr war dieser Blick unerträglich, sie und Baker, nicht wahr, waren auf ihre Art sehr sensibel. Ich
weiß nicht, ob Sie mal von Paul Matthew gehört haben, vor zwei Jahren ist er gestorben. Er steuerte damals den politischen
Teil von Bakers Buch bei, und John Bell auch. Haben Sie von John Bell gehört?
Nein, keine Ahnung, wer er ist .
Oh, John Bell gehört zum American College of Orgonomy und lebt in der City von New York. Sie könnten ihn bei Gelegenheit
mal aufsuchen. Er gibt oft Interviews, wo er über Reich spricht. Er ist wie gesagt einer von den Organisatoren des ACO
(American Collage of Orgonomie), welche bekanntlich nicht so gut auf Eva zu sprechen sind. Eva nahm sich nie ein Blatt vor
den Mund und platzte immer mit dem heraus, was sie dachte, ein sehr ehrlicher, aufrichtiger Mensch. Und da gab es auch die
eine oder andere Meinungsverschiedenheit zwischen ihr und den anderen. Daher mochten sie sie nicht sonderlich.
Hoppe mochte Ilse nicht leiden. Ich erinnere mich an einen Brief von Hoppe, zu der Zeit, als mein Buch herauskam, worin er
mein Buch kritisierte. „Es tut mir leid, daß Sie Ilses Meinung sind, was Reich angeht“. Er meint hauptsächlich Reichs
Irrationalismus, über den wir uns vorhin verständigt hatten. Hoppe war nicht viel anders als die anderen. Er war nicht so stur,
aber teilte doch leidenschaftlich Reichs Mutmaßungen von jener Verschwörung seitens der Kommunisten und jener
kommunistischen Infiltrierung oder Durchsetzung der FDA und all dieses Zeug. Das verletzt Sie doch hoffentlich nicht? (gemeint
ist hier John, der bei Hoppe Therapie nahm)
** 1992 trennten wir uns nach Meinungsverschiedenheiten von James DeMeo. Das IOO hat heute sein eigenes Cloudbusting
Projekt.
* Eva Reich wies darauf hin, das mit Ausnahme von Walen, Menschen – und Tieren, die in Gefangenschaft leben alle
Säugetiere nach der Geburt ihre Plazenta essen. Sie empfiehlt dies ebenfalls Frauen nach der Geburt zu tun, jedoch nur kleinere
Mengen der eigenen Plazenta zu essen oder zu kauen. Sie machte ein Experiment mit 6 Frauen. Das Resultat war, daß die
Gebärmutter sich besser schloß und die Milchdrüsenproduktion besser war als üblich. Der Herausgeber aß selber ein Stück
der Plazenta nach einer Geburt. Sie schmeckte ausgesprochen gut und hatte eine wahrscheinlich aufgrund der Hormone eine
stark stimulierende positive Wirkung. Das Problem dieser Praxis scheint also ein rein psychologisches zu sein, weil es in unserer
Kultur nicht üblich ist, so etwas zu tun. Die Äußerungen im Interview unterstreichen somit nur den Pionier Charakter von Dr.
Silvert, der anscheinend sehr progressiv war und zudem bemüht war Reichs Cloudbustingexperimente finanziell machbar zu
machen.